Ja, es waren Menschen mit Migrationshintergrund, denen Wiens Fußballfans ihren heiß geliebten Sport verdanken: Die britischen Gärtner James Black und William Beale, Letzterer von der Isle of Man, erklärten sich spontan bereit, auf einer Wiese im damaligen Döblinger Anwesen des Barons von Rothschild, ein "zwei gegen zwei" gegen die Söhne des dort angestellten Garteninspektors auszutragen.
Der Rest ist Stadt-, ist Fußballgeschichte: "Irgendwann wurde dem Baron der Fußball zu viel", erzählt Alexander Juraske. Der Adelige gab seinen Angestellten "einen Flieder", also ein bisserl Geld, damit sie anderswo bei ihrem neuen, noch eher rugbyähnlichen Spiel die Wiesen niedertreten.
Es gibt keinen Berufeneren als Alexander Juraske, die Geschichte des ältesten Fußballvereins Österreichs zu erzählen. Juraske ist Historiker und nicht zuletzt aufgrund seiner Vorfahren ein Anhänger der Blau-Gelben. Er hat auch an der Jubiläumsausstellung mitgewirkt, die am 1. August im Döblinger Shopping Center Q19 eröffnet wird.
Bei der Vereinsgründung am 22. August 1894, also vor 130 Jahren, waren Juraskes Recherchen zufolge nicht nur Briten und Wiener, sondern auch ein Franzose und ein Deutscher anwesend. Und in der Mannschaft des First Vienna Football Clubs spielten bald auch die Söhne der "Ziegelbehm".
Auf dem Areal einer Ziegelei wurde später auch das Stadion "Hohe Warte" errichtet. Dunkles Kapitel dieses Ortes: "Von hier wurde im Februar 1934 mit Haubitzen auf die Menschen im Karl-Marx-Hof geschossen."
Bei seinen akribischen Recherchen in Vereins- und Stadtchroniken fand der Historiker heraus, "dass immerhin ein Drittel der Vienna-Funktionäre einen jüdischen Background hatten". Auch der Publikumsliebling der Zwischenkriegszeit, der flinke und technisch versierte Linksaußen Otto Fischer, stammte aus einer jüdischen Familie.
In seinem neuen Buch "Otto 'Schloime' Fischer" (120 Seiten, 15 Euro,, erschienen beim Verlagh Hentrich & Hentrich in Berlin/Leipzig) zeichnet Alexander Juraske das tragische Ende des in Wien gefeierten siebenfachen Teamspielers nach: "Nach Trainerstationen in Zagreb und Šabac in Serbien wurde er zum erfolgreichen Coach in Lettland, dann aber von den Nazis verhaftet und gemeinsam mit seiner Frau umgebracht."
Bei seinen Führungen, die er stets im Karl-Marx-Hof startet, macht der Vereinschronist immer auch auf die imposanten Rundbögen des bekanntesten Wiener Gemeindebaus aufmerksam: "Eine frühe Art der Zuschauerlenkung.“ Zu den Spielen des österreichischen Wunderteams auf der Hohen Warte strömten bis zu 100.000 Zuschauer. Das Gros reiste mit der Stadtbahn an und musste hier durch das Rote Wien. Auch eine Form der Machtdemonstration.
Nach 1945 sind es öfters Geschäftsleute aus dem 19. Bezirk, die den alten Fußballverein mit ihrem Geld vor dem Ruin retten. Daher wurde die Vienna auch öfters als Nobelverein bezeichnet, auch wenn auf dem Rasen mehrheitlich die Sprache der Wiener Flächenbezirke gesprochen wurde.
Auf dem neuen Trikot des Zweitligisten ist unter anderem das Icon eines gelben U-Boots zu sehen. Es ist auch der dezente Hinweis auf ein Stück Wiener Jugendkultur.
Alexander Juraske ist nun auch Zeitzeuge: „Anfang der 1990er-Jahre tauchen auf der Hohen Warte junge Leute auf, die Fußball schauen wollen, aber nicht bei Austria oder Rapid. Einige kommen aus der Musikszene.
Zu den älteren Vienna-Anhängern passen sie mit ihren englischsprachigen Chorälen („We all live in a yellow submarine“) vorerst nicht. Doch es wird. Heute kommen Fußballfans aus halb Europa in die „Naturarena“, um den Doppelpass zwischen Nostalgie und Gegenwart zu bestaunen.
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