Vier "Pioniergebiete": Wien geht Fernwärme-Ausbau verstärkt an

Soll die E-Control künftig die Fernwärme kontrollieren? Die SPÖ war zuletzt dagegen.
Im 2., 6., 9. und 16. Bezirk werden in den kommenden Jahren ganze Grätzel an das Netz angeschlossen.

Die Fernwärme ist ein zentraler Hebel für die Stadt Wien, bis 2040 wie geplant alle 600.000 derzeit noch fossil heizenden Haushalte auf erneuerbare Wärme umzustellen - Stichwort: "Raus aus Gas".

Wurde das Netz bisher nachfragegetrieben ausgebaut, werden nun erstmals vier Grätzel zu "Pioniergebieten" erklärt und von der Wien Energie gezielt strategisch erschlossen: das Alliiertenviertel in der Leopoldstadt, die Gumpendorfer Straße in Mariahilf, die Rossau am Alsergrund und der Huber-Block in Ottakring (siehe Karte unten).

In diesen vier Gebieten "wollen wir zeigen, wie wir die Zukunft verstehen", sagte Finanzstadtrat Peter Hanke, der das Projekt am Mittwoch gemeinsam mit Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál, Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky (alle SPÖ), Neos-Klimasprecher Stefan Gara und Wien-Energie-Geschäftsführer Michael Strebl präsentierte.

Strategie

Gezeigt werden soll, "wie es gehen kann, wie wir das auf die ganze Stadt skalieren können", sagte Czernohorszky. Darum wurden die Grätzel auch aufgrund ihrer jeweils unterschiedlichen Voraussetzungen hinsichtlich Bauart, Zusammensetzung oder Größe strategisch ausgewählt, ergänzte Strebl. Das Ziel ist es, für den weiteren Ausbau so viele Erfahrungen wie möglich zu sammeln.

Vier "Pioniergebiete": Wien geht Fernwärme-Ausbau verstärkt an

Die vier Fernwärme-"Pioniergebiete"

Aktuell wird in allen vier Gebieten die Gebäudestruktur analysiert und die technische Umsetzung des Fernwärmeausbaus und des Trassenverlaufs geplant. In der ersten Ausbaustufe, die bis Ende 2026 abgeschlossen sein soll, wird für mehr als 200 der insgesamt 2.000 Gebäude in den Pioniergebieten ein Fernwärmeanschluss vorbereitet.

Investiert werden von der Wien Energie 50 Millionen Euro, wobei das Unternehmen hier "in Vorleistung geht", wie Strebl betonte. "Wir investieren jetzt in die Aufschließung, weil wir davon überzeugt sind, dass sich die Kundinnen und Kunden im Laufe der Zeit anschließen werden."

Überzeugungsarbeit

Gleichzeitig startet eine Informationsoffensive für die Eigentümerinnen und Eigentümer sowie die Mieterinnen und Mieter, um sie von den Vorteilen eines Fernwärmeanschlusses zu überzeugen. Diese Aufgabe fällt vor allem in Gaáls Zuständigkeit, wo mit der Hauskunft und der Gebietsbetreuung Stadterneuerung (GB*) bereits entsprechende Strukturen bestehen. "Wir haben schon bewiesen, das wir das können", betonte die Vizebürgermeisterin.

Vier "Pioniergebiete": Wien geht Fernwärme-Ausbau verstärkt an

Stefan Gara, Kathrin Gaál, Peter Hanke, Jürgen Czernohorszky, Michael Strebl (v.l.)

"Wie wir das machen, ist es in dieser Komplexität einzigartig", hob Neos-Klimasprecher Gara hervor. Es gehe darum, die Puzzlesteine Erzeuger, Speicher, Verbraucher und Netze intelligent zusammenzufügen, sei das Energiesystem der Zukunft doch "ein kommunizierendes Gefäß aus vielen Einzelkomponenten". So soll die Fernwärme künftig die Grundlast tragen, an besonders kalten Tagen könnten dann beispielsweise im Nachbargrätzel vorhandene Wärmepumpen einspringen und die Bedarfsspitzen abdecken.

Dekarbonisierung

Zusätzlich geht es nicht nur um den Ausbau, sondern auch um die parallel stattfindende Dekarbonisierung der Fernwärme. Noch in diesem Jahr soll etwa in der Kläranlage Simmering Europas leistungsstärkste Großwärmepumpe in Betrieb gehen, die bis 2027 112.000 Haushalte mit klimafreundlicher Wärme versorgen soll. Bis 2030 sollen zusätzlich 125.000 Haushalte mit Tiefengeothermie versorgt werden.

Unisono wurde am Mittwoch erneut die Bedeutung des Erneuerbare-Wärme-Gesetzes (EWG) für die Wärmewende betont. Dieses schafft erst die gesetzliche Voraussetzung, um auch in Bestandsgebäuden den Umstieg auf klimafreundliche Wärmesysteme vorzuschreiben - und war in den vergangenen Wochen ein massiver Streitpunkt zwischen der türkis-grünen Bundesregierung und der SPÖ.

Gesetz fehlt

Für eine Umsetzung des EWG bräuchte es im Parlament eine Zweidrittelmehrheit. Die Sozialdemokraten hatten ihre Zustimmung mit Anti-Teuerungsmaßnahmen verknüpft, beide Seiten sich gegenseitig Verhandlungsunwilligkeit vorgeworfen.

Für die SPÖ gibt es aber auch noch einen konkreten inhaltlichen Punkt, der ihnen im EWG fehlt, und zwar die Finanzierung. Nicht im Gesetz enthalten ist nämlich, wer die Kosten für den Heizungstausch übernehmen muss - Vermieterinnen oder Mieter.

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