Fahrten entlang der Armutsgrenze

Behinderten Transport, Fahrer
Bei Fahrtdiensten für Behinderte werden Mini-Löhne bezahlt. Die Gewerkschaft kritisiert Ausschreibungen.

Für viele Wiener, die alte oder behinderte Verwandte haben, ist Zoran Atanasijevic, 34, ein kleiner Engel. Täglich steht er pünktlich mit seinem Kleinbus vor den Wohnhäusern. Er schiebt Rollstuhlfahrer in sein Gefährt, holt gebrechliche Personen von der Haustüre ab. Fallweise trägt er Gehbehinderte durch Stiegenhäuser. Dann bringt er sie in Tagesstätten, Schulen oder Behindertenheime – und holt sie wieder ab.

„Das ist mehr als nur ein Fahrtdienst“, erzählt der zweifache Vater. Wer keine menschlichen Qualitäten mitbringe, könne seinen Job nicht ausüben.

Geschätzte 500 Fahrtdienst-Mitarbeiter, angestellt bei acht Firmen, erledigen für den Fonds Soziales Wien solche Dienste. Finanziell sind es Fahrten an der Armutsgrenze entlang. Rund 838 Euro netto (1000 Euro brutto) kriegen die Mitarbeiter zu Monatsende aufs Konto. Und das für eine kollektivvertraglich fixierte 45-Stunden-Woche.

Seit Langem ist der Mini-Lohn der Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft vida ein Dorn im Auge. Jetzt droht laut vida erneut ein Versuch, zusätzlich 150 Euro (und ab 1. 1. 2014 nochmals 150 Euro) für die Arbeitnehmer herauszuschlagen, zu scheitern.

Weshalb? Gudrun Thiemer, vida-Fachsekretärin, appelliert an ihr Vis-à-vis in der Wirtschaftskammer, die „Blockadehaltung aufzugeben“. Dort erwidert Christian Gerzabek, Spartenobmann Transport und Gewerbe, dass sich nur mehr ein Betrieb quer lege. „Ich hätte zwar gerne einen Konsens. Aber im Grunde geht es nur mehr um die Formulierung.“

Kostendruck

Pikant ist ein Schreiben des Fonds Soziales Wien. Ein Betrieb hatte sich erkundigt, ob er aufgrund der erhöhten Gehälter auch einen höheren Tarif (um 30 Prozent) vom Fonds bekäme. Antwort: Eine solche Tarifsteigerung werde „selbstverständlich nicht akzeptiert“. Die Gewerkschaft fühlt sich damit in ihrer Kritik an der Ausschreibungspraxis des Fonds bestätigt. Thiemer: „Es geht nicht um Soziales oder Qualität, sondern nur um den Preis.“ Den Kostendruck bekämen dann Mitarbeiter oder Konkurrenten wie das Rote Kreuz, das besser bezahle, zu spüren. Beim Fonds Soziales Wien entgegnet eine Sprecherin: „In Lohnverhandlungen mischen wir uns nicht ein.“ Dies sei Sache der Firmen.

Atanasijevic bekommt ab 1. März auch so um 150 Euro mehr. Sein Arbeitgeber, die Firma Blaguss, einigte sich gestern mit dem Betriebsrat darauf.

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