Toter Rekrut: Experte zweifelt an Unfall-Version

Der Wachsoldat wurde in der ehemaligen Albrechts-Kaserne erschossen.
Im Fall des toten Soldaten wird wegen Mordverdachts ermittelt. Gutachter hält versehentliches Laden für "unmöglich".

Ali Ü., jener Soldat der seinen Kameraden Ismail M. am Montagabend in Wien mit einem Kopfschuss getötet haben soll, wurde am Dienstag in die Justizanstalt Josefstadt gebracht. Die Staatsanwaltschaft hat bereits einen Antrag auf U-Haft gestellt, denn die Polizei ermittelt nun wegen Mordverdachts.

In einem stundenlangen Verhör wurde der 22-jährige Wachkommandant am Dienstag befragt. "Er hat das freundschaftliche Verhältnis zum Opfer betont. Zur Tat selbst hat er angegeben, dass er keine Erklärung dafür hat, wie es zu dem Schuss kommen konnte. Er habe den Kameraden lediglich aufwecken wollen", sagt Polizeisprecher Patrick Maierhofer. Ali Ü., kann sich laut eigenen Angaben nicht einmal mehr daran erinnern, ob er die Waffe, als der Schuss fiel, in der Hand hielt oder umgehängt hatte.

Die Verteidiger des Beschuldigten, Farid Rifaat und Manfred Arbacher-Stöger, sprechen weiter von einem Unfall. Das Sturmgewehr 77 sei dem Soldaten tagsüber hinuntergefallen, wobei eine Patrone in den Lauf gerutscht sei. Danach könnte Ali Ü. mit der Waffe hantiert und dabei unabsichtlich die Sicherung gelöst haben.

Eine Erklärung, die der Ballistik-Gutachter Armin Zotter für nicht plausibel hält: "Ich würde davon abraten, diese Version vor Gericht zu verwenden." Laut Zotter werde das Sturmgewehr 77 auch immer wieder Falltests unterzogen, die eben ausschließen sollen, dass eine Patrone in den Lauf rutschen kann. "Das sind Szenarien, die im Bereich der Unmöglichkeit liegen. In so einem Fall wird immer in drei Richtungen geprüft. Erstens die Technik der Waffe, dann die Munition und schließlich wird geprüft, ob es einen Fehler in der Handhabung gibt. In diesem Fall schaut es nach einem menschlichen Fehler aus", sagt Zotter.

Klagt die Familie?

Die Familie von Ismail M. glaubt die Unfallversion des Verdächtigen auch nicht so recht. Die Kanzlei Rudolf Mayer und Ümit Vural vertreten nun die Familie des 20-Jährigen. "Wir werden uns für eine lückenlose Aufklärung einsetzen. Wir warten jetzt auf die Tatrekonstruktion", sagt Vural. Deha Kaplan, der Schwager des Opfers, der selbst als Soldat beim Bundesheer arbeitet, kritisiert die Handhabung mit scharfer Munition.

Umstritten ist auch die Verbindung zu dem im August bei einem Marsch verstorbenen Rekruten Toni P. (19). Wie Kaplan im KURIER-Gespräch erzählte, seien der 19-Jährige und Ismail M. befreundet gewesen. "Er war ein Zimmerkamerad von Toni und hat auch an dem Marsch teilgenommen", meinte der 31-Jährige. Das Bundesheer dementiert, dass der 20-Jährige auch an diesem beteiligt war. Außerdem sei er nicht – wie sein Schwager erzählt – mit dem sterbenden Toni P. im Krankenwagen mitgefahren.

Ein Ausgangsverbot sei gegen M. verhängt worden, wurde aber laut dem Bundesheer noch nicht rechtskräftig ausgesprochen. Den Grund dafür wollte das Bundesheer nicht kommunizieren.

"Keine Freunde"

Der Beschuldigte bezeichnete gegenüber den Ermittlern das Opfer als "seinen guten Freund". Kaplan kontert: "Ich war für ihn die Bezugsperson, wie ein großer Bruder und bester Freund. Ich habe ihn am Sonntag in der Kaserne besucht. Den Verdächtigen hat er nie erwähnt. Ich kenne ihn nicht. Kann sein, dass die beiden öfter rauchen waren. Doch von besten Freunden kann man sicher nicht reden." Das Bundesheer bot an, die Bestattungskosten zu übernehmen. Das soll die Familie ausgeschlagen haben, weil diese bereits vom muslimischen Verein ATIB übernommen werden, die Kosten werden aus einem Fonds bezahlt. Ismail M. soll in der Türkei bestattet werden. Er wird am Donnerstag der Familie übergeben.

Ballistisches Gutachten

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dauern an, wie Sprecherin Nina Bussek erklärt: "Die Obduktion wurde durchgeführt, bis der Bericht fertig ist, kann es aber mehrere Wochen dauern." Essenziell wird vor allem das Ergebnis des ballistische Gutachtens. Das soll klären, aus welchem Winkel und welcher Entfernung der Schuss auf den Kopf des 20-Jährigen abgegeben wurde. Damit beauftragt wurde Ingo Wieser, der schon mit dem Fall des Briefbombers Franz Fuchs betraut war. Das Bundesheer bezeichnet ihn als "absoluten Kenner des Sturmgewehrs."

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