Eine neue Ordnung für den Bau
Mit der Wiener Bauordnung soll in diesem Jahr ein Regelwerk umfassend überarbeitet werden, das den meisten als ersten Impuls nur ein Gähnen entlockt. Doch das wird der Materie nicht gerecht, denn das Gesetz wirkt sich auf jede Wienerin und jeden Wiener direkt aus. Es beeinflusst das Erscheinungsbild der Stadt genauso wie die Mietpreise und die Klimakrise.
Der KURIER hat sich darum in zehn Punkten angesehen, was in der Bauordnung eigentlich geregelt wird, warum sie so wichtig ist und in welche Richtung die Reform gehen soll bzw. könnte.
Was wird in der Bauordnung geregelt?
Im Kern, was wo wie gebaut werden darf. Hier liegt bereits der größte Unterschied zu den anderen Bundesländern, denn im Unterschied zu diesen gibt es in Wien kein eigenes Raumordnungsgesetz, das eigentlich das „Was“ und das „Wo“ regeln würde.
Was fällt unter die Raumordnung?
Die Raumordnung bzw. Raumplanung legt fest, wie das Stadtgebiet für unterschiedliche Bedürfnisse und Nutzungsarten aufgeteilt wird. Das geschieht mittels Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen. Während die Widmung festlegt, welche Nutzung an welchem Ort erlaubt oder vorgeschrieben ist (Wohnen, Verkehr, Gewerbe, Grünland etc.), regelt der Bebauungsplan, wie viel, wie hoch und wie dicht ein spezifisches Areal bebaut werden darf.
Was fällt unter das Baurecht?
Der bautechnische Teil legt das „Wie“ des Bauens fest, etwa hinsichtlich Sicherheit oder Barrierefreiheit. Es geht aber auch um Regelungen bezüglich Nachhaltigkeit und Energie sowie – in geringerem Ausmaß – der erlaubten Gestaltung, etwa wo ein Balkon erlaubt ist und wo nicht. Und: Auch die behördlichen Bauverfahren sind hier geregelt.
Wie oft wird novelliert?
Kleinere Novellen gibt es nahezu jährlich, größere im Schnitt alle vier bis fünf Jahre.
Wie läuft das ab?
Die Stadt betont, diesmal einen neuen, innovativen Weg gegangen zu sein, um möglichst viele Interessengruppen einzubinden und einen „offenen und konstruktiven Dialog“ zu ermöglichen. So fand im November eine Fachenquete statt, im Rahmen derer Expertinnen und Experten Inputs zu unterschiedlichen Themen gaben, aus denen nun im Einklang mit bestehenden Zielsetzungen ein Entwurf erarbeitet wird.
Im Vorfeld hatten alle Parteien die Möglichkeit, Themen einzumelden; ÖVP und FPÖ kritisierten diese Einbindung jedoch als „Marketingschmäh“ und „Pseudo-Einbindung“. Neos-Wohnbausprecherin Selma Arapovic betont hingegen das positive Feedback seitens der anwesenden Fachleute; der Raum für politische Kritik sei der eigentliche Gesetzgebungsprozess. Der Zeitplan sieht vor, spätestens im Sommer einen Entwurf in Begutachtung zu schicken, der Beschluss soll jedenfalls noch in diesem Jahr erfolgen.
Welche Schwerpunkte setzt die Stadt?
„Die Leistbarkeit des Wohnens, eine nachhaltige klimafitte Bauweise und der verstärkte Schutz des Erscheinungsbildes unserer weltberühmten Stadt stehen im Fokus“, sagt Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál (SPÖ). Ein weiterer Schwerpunkt sollen einfachere Verfahren sein.
Leistbares Wohnen in der Bauordnung?
An sich wurde das Thema bereits 2018 mit der Einführung der Widmungskategorie „Geförderter Wohnbau“ in der Bauordnung verankert. Nach ersten Einschätzungen der Stadt hat sich diese auch bewährt, „im Detail könnten aber Nachschärfungen möglich sein“, hieß es bei der Enquete. Auch die Kurzzeitvermietung à la Airbnb könnte weiter beschränkt werden. Zudem steht die im Garagengesetz verankerte Stellplatzverpflichtung auf dem Prüfstand, also die Vorschrift, pro 100 m2 Wohnraum einen Parkplatz zu schaffen. Expertinnen und Experten sprechen sich statt dieser strikten für eine bedarfsgerechte Beurteilung aus, was speziell innerstädtisch auch Flächen freimachen würde.
Was bedeutet eine „klimafitte“ Bauordnung?
Einerseits geht es um die Energiewende, etwa um Verfahrensvereinfachungen für neue PV-Anlagen sowie mehr Augenmerk auf die Energieeffizienz von Gebäuden sowie mehr Druck bei thermischen Sanierungen. Die Grünen wünschen sich ein generelles Einbauverbot für Gasthermen und eine Widmungskategorie, um die Nutzung des öffentlichen Raums für Geothermie zu regeln.
Andererseits geht es um Anpassungen, etwa die Erleichterung von Fassadenbegrünungen, die Entsiegelung von Flächen oder die Rückhaltung von Regenwasser. Zudem ist auch eine Widmungskategorie für Kaltluftschneisen in die Stadt angedacht.
Wie soll der Gründerzeitschutz verstärkt werden?
Alle Beteiligten, auch alle Parteien, sehen hier Handlungsbedarf. Zu einfach sei es, sich mittels privatem Gutachten die für einen Abriss erforderliche „wirtschaftliche Abbruchreife“ nachweisen zu lassen. In einigen Fällen stand zuletzt sogar im Raum, dass die wirtschaftliche Abbruchreife absichtlich herbeigeführt worden sein könnte. Künftig könnte nachgewiesen werden müssen, dass Eigentümer Gebäude ordnungsgemäß und regelmäßig pflegen – ähnlich wie dem Pickerl beim Auto.
Der Architekturforscher Robert Temel schlägt zudem vor, der „grauen Energie“ – also jener Energie, die benötigt wird, um ein Gebäude zu errichten – mehr Beachtung zu schenken, sprich: die Nachhaltigkeit zum entscheidenden Kriterium zu machen. Generell müsse in der dichten Stadt die Sanierung statt des Neubaus der Normalfall in der Bauordnung werden, etwa hinsichtlich technischer Vorschriften.
Welche weiteren Wünsche gibt es?
Die ÖVP wünscht sich allen voran mehr Transparenz. Das betrifft sowohl städtebauliche Verträge mit privaten Projektpartnern als auch Widmungen. Mehr Transparenz wünscht sich auch die FPÖ, zudem fordert sie eine Stärkung der Anrainerstellung im Verfahren. Auf dem Wunschzettel der Vereinigung Österreichischer Projektentwickler (VÖPE) stehen vor allem einfachere und schnellere Widmungs- und Bauverfahren ganz oben, insbesondere bei nachhaltigen Projekten.
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