Ein Zitat und seine Folgen: Ein Fiaker in der Leberkäs-Erregung
„...oder wir machen Pferde zu Leberkäse“, sagte Herr Ivan. Eine Aussage, die ihm teuer zu stehen kam.
14.07.19, 05:01
Das Lächeln sitzt, der Händedruck ist kräftig, aber das fröhliche Blitzen in seinen Augen, das fehlt derzeit. Man lernt nie aus, sagt Herr Ivan, zuckt mit den Schultern. Daran sei er diese Woche erinnert worden.
Mit einem heimlich aufgenommenen Video hat die Tierschutzorganisation Vier Pfoten zu Wochenmitte für Aufregung gesorgt. Es sei ihnen von Touristen zugespielt worden. Fiaker Ivan ist darin unter anderem mit dem Satz zu hören: „Ein Pferd muss sich sein Futter verdienen. Oder wir machen Leberkäse aus ihm, es gibt keine andere Alternative.“
Für die Tierschützer gefundenes Fressen: Können sie mit dem Ausschnitt doch das untermauern, was sie seit Jahren predigen: Fiakerei ist Tierqual und Fiaker schrecken vor nichts zurück.
Schlaflose Nächte
Als Herr Ivan das Video am Mittwoch zum ersten Mal sieht, kann er es nicht glauben. Und es geht ihm dann auch nicht mehr aus dem Kopf. Bis spät in der Nacht sitzt er, grübelt, wie es passieren konnte, dass seine Geschichten, mit denen er den Gästen das Fiakerleben näher bringen wollte, so gegen ihn verwendet wird.
Dass nur Ausschnitte gezeigt werden, findet er am kritischsten. Damit würden Aussagen aus dem Kontext gerissen werden. Der Satz mit dem Leberkäse, das sei ein Gedankenspiel als Antwort auf die Frage gewesen: „Was passiert, wenn die Politiker die Pferde in der Stadt verbieten?“
Gedankenspiel
„Das wäre ein großes Problem“, glaubt Herr Ivan auch heute. „Denn was passiert dann mit den vielen Fiakerpferden? Woher soll das Geld kommen, sie zu erhalten?“ Natürlich war der Satz, den er danach aussprach, zynisch und unbedacht. Und er werde ihn auch nicht mehr aussprechen.
Schlachten verboten
Aber: „Ich weiß natürlich, dass Fiakerpferde gar nicht zu Leberkäse verarbeitet werden dürfen. Schon alleine wegen der Medikamente, die sie in ihrem Leben bekommen haben.“ Und noch wichtiger sei, ergänzt er: „Ich würde nie zulassen, dass aus Max und Burli (die zwei Pferde, mit denen er immer unterwegs ist, und die auch im Video zu sehen sind, Anm.)Leberkäse gemacht wird.“ Eher noch würde er sein Erspartes zusammenkratzen, um das zu verhindern.
Fiakerfahrer erzählt
Er sei vor vier Jahren ja eher zufällig zur Fiakerei gekommen.Er war jahrelang Marktfahrer, davor Maschineneinsteller. Im Internet stolperte er zufällig über die Anzeige, dass neue Fiaker gesucht werden. Irgendetwas reizte ihn, und so meldete er sich an. Aufregend war die erste Zeit. Jedenfalls eine Herausforderung und ja, nicht immer einfach. Aber als er das erste Mal neben einem Fiaker am Kutschbock Platz genommen hatte, war ihm auch klar, dass er genau das machen wollte. Und noch immer könne er sich keinen besseren Beruf vorstellen: „Ich mag diese Pferde einfach nicht mehr missen.“
Die Vier Pfoten lassen diese Aussagen unberührt: „Es freut uns, wenn sich der Mann gut um seine Pferde kümmert. Aber es ändert nichts daran, dass wir die Aussagen problematisch finden und dass die Innenstadt kein artgerechter Ort für Pferde ist.“ Aus Quellenschutz sei es aber nicht möglich, das ganze Video zu zeigen.
Klage gegen Vier Pfoten
Die Art und Weise, wie das Material angefertigt wurde, soll unterdessen nicht ohne Konsequenzen bleiben.
Johann Paul, der Unternehmer für den Herr Ivan arbeitet, will nun rechtliche Schritte einleiten. „Diese Vorgehensweise ist eine Frechheit“, sagt der Fiaker-Unternehmer. Auch ihn habe es umgehauen, als er das Video sah.
Nicht nur wegen des Inhalts, sondern auch, weil er Herrn Ivan für einen extrem pferde- und tierlieben Menschen hält. Das sehe er ja auch an Max und Burli, mit denen Ivan stets unterwegs ist: „Die beiden haben für ihre 18 Jahre einen unglaublichen Glanz im Haar. Ihr Gehabe ist toll. So verhalten sich Pferde nur, wenn es ihnen gut geht.“
Nicht aus der Ruhe bringen
Während Herr Ivan seine Geschichte erzählt, stehen die zwei Tiere ruhig neben ihm am Heldenplatz, dösen, lassen den Kopf hängen. Lassen sich nicht von den Touristen stören, die im Minutentakt herantreten und Fotos machen.
Dann blickt Herr Ivan auf die Uhr, er muss jetzt leider los, zur nächsten Fahrt.
Geld verdienen.
Historie: Zwischen Tradition und Tierschützern
Seit gut drei Jahrhunderten sind die Fiaker im Wiener Stadtbild vertreten: Die erste Lizenz wurde 1693 erteilt. Sieben Jahre später waren dann bereits um die 700 Fiaker unterwegs. Zwei offizielle Standplätze erhielt die Sparte 1785, einen am Graben sowie einen am Michaelerplatz. In den Hoch-Zeiten – zwischen 1860 und 1900 – gab es mehr als 1000 Fiaker-Kutschen in der Stadt. Zum Vergleich: Heute sind es 151 Gespanne. Fast drei Jahrhunderte war die Fiakerei übrigens ein Männergewerbe: Seit 1984 gibt es auch Fiakerinnen.
Seit Ende des 20. Jahrhunderts wird das Gewerbe verstärkt reguliert.
1998 wurde die Fahrdienstprüfung eingeführt.
Am 1. Juli 2004 wurden die sogenannten „Pooh-Bags“ verpflichtend. Diese fangen die Äpfel der Pferde auf und verhindern die Verschmutzung der Straße.
Seit 2016 bekommen Fiakerpferde an Tagen mit mehr als 35 Grad hitzefrei. Sowohl die Grünen als auch die Tierschutzorganisation Verein gegen Tierfabriken machen sich mittlerweile für Hitzefrei ab 30 Grad stark.
Ziel der Tierschutzorganisationen Verein gegen Tierfabriken sowie Vier Pfoten ist es jedoch vordergründig, die Fiakerpferde aus der Innenstadt zu bekommen. Dies sei kein artgerechter Raum für sie. Die Vier Pfoten sammeln derzeit Unterschriften für ihre Petition, in der sie eine Verlegung der Fiaker in Grünanlagen fordern.
Aufgrund der Straßenschäden startete die Stadt mit der Veterinärmedizinischen Universität eine Studie über alternative Hufbeschlagsmöglichkeiten. Derzeit wird an der Umsetzung gearbeitet.
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