Ein Jahr in Serbien in Haft

Christian Bucher, Verkehrsunfall
Christian Bucher war nach einem tödlichen Verkehrsunfall mit sechs Mithäftlingen auf 14 Quadratmetern inhaftiert.

Eine Sekunde Schlaf hinterm Steuer seines Pkw brachte Christian Bucher, 49, aus Wien, eine Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten in einem serbischen Gefängnis ein. Im Südosten des Landes verschuldete er am Heiligen Abend 2011 einen Crash, bei dem ein Serbe starb und der ihn aus der Bahn warf. Der EDV-Programmierer schmachtete monatelang in einer überbelegten Zelle, bis er nach Wien in ein Gefängnis überstellt und nach drei Wochen vor dem Jahreswechsel enthaftet wurde.

KURIER: Wie leben Sie damit, den Tod eines Menschen verschuldet zu haben? Christian Bucher: Es tut einem unendlich leid. Ich war ja nur zur falschen Sekunde am falschen Ort. Ich habe vergeblich versucht, den Kontakt zur Familie herzustellen, um sie um Verzeihung zu bitten. Das ist so eine Vorstellung, die man hat. Die Welt schaut aber anders aus.

Wie schaut die aus? Ich wusste nicht, was mich erwartet, der Prozess, im Gefängnis. Ich war mit meinem Leben beschäftigt.

Wie lebt man in einer Zelle mit sechs Mithäftlingen auf 14 Quadratmetern? Mit japanischer Höflichkeit. Man entschuldigt sich für alles. Ich habe viel gelesen und Mathematik gelernt. Ich muss aber mit einem Vorurteil aufräumen: Man hat mich nicht schlecht behandelt. Mir sind in Serbien viele sehr korrekte Menschen über den Weg gelaufen.

Sie erzählen es so, als wären Sie auf Urlaub gewesen. Nein. Sie haben halt einfach andere Standards. Die Gefängnisse sind überfüllt, die medizinische Versorgung ist schlechter. Als ein Arzt meinen Leistenbruch gesehen hat, hat er fast einen Lachkrampf gekriegt. Die kriegen anderes zu Gesicht.

Sie wollten aber rasch heim. Warum hat die Überstellung so lange gedauert? Im österreichischen Justizministerium hat man geschlafen. Dort gab es absolutes Desinteresse. Meiner Mutter wurde gesagt: „Es ist doch egal, ob er hier oder dort einsitzt“. Um mich hat sich vor allem der österreichische Botschafter in Serbien gekümmert. Ihm habe ich viel zu verdanken.

Dann ließ sich auch die serbische Seite Zeit ... .. Ja, das serbische Urteil musste ans österreichische Recht angepasst werden. In Österreich beträgt die Maximalstrafe für fahrlässige Tötung nur ein Jahr. Das war den Serben zu niedrig. Vielleicht blieb deshalb der Akt liegen.

Das Urteil war sogar für serbische Verhältnisse hart. Wieso haben Sie es hingenommen? Ich war aber gar nicht unglücklich über die Strafe. Mein schlechtes Gewissen ist so etwas geschrumpft. Im Vergleich zum Tod des anderen Autolenkers war das ja nur eine Unannehmlichkeit.

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