Ehrlicher Obdachloser: „Wie Lotto-Sechser“
Noch ist an der Eingangstüre des Gemeindebaus in Wien-Floridsdorf der Name „Schleichert“ nur provisorisch über den Namen des Vormieters geklebt; noch riecht es nach frisch gestrichenen Wänden und noch schmückt nur eine Friedenslilie, die das KURIER-Team mitgebracht hat, die leere Wohnung. Egal. „Es ist ein Traum“, sagt Hermann Schleichert stolz. Gerade hat er den Mietvertrag unterschrieben und die Schüssel für die 30 Quadratmeter große Garçonnière in die Hand bekommen. „Meine erste, eigene Wohnung, in der ich ganz alleine lebe.“
Erinnerungen werden wach – an jene Tage, als er in Parks und Obdachlosenheimen schlief. „Furchtbar war das“, sagt der 48-Jährige. Diese Zeiten sind vorbei, dank seiner Ehrlichkeit und der Hilfe der KURIER-Leser.
Ein Rückblick: Am Stefanitag 2011 fand der wohnungslose Hermann Schleichert am Gürtel in Wien ein Kuvert mit 7000 Euro – und brachte das Geld zur Polizei. „Keine Sekunde habe ich daran gedacht, das Geld zu behalten. Das wäre ja Diebstahl.“ Obdachloser gab 7000 Euro zurück titelte der KURIER.
Happy End
Die Geschichte vom armen, ehrlichen Finder bewegte Menschen und Medien. „Sogar in Nepal haben’s darüber berichtet“, erzählt Schleichert noch immer fassungslos. Dutzende KURIER-Leser meldeten sich, um zu helfen: Viele ließen ihm eine kleine Spende zukommen, und einige boten sogar einen Job an. „Mit so einer Unterstützung habe ich echt nicht gerechnet. Danke, danke, danke. “
Die Spenden kamen auf ein Konto, das von seiner Sozialarbeiterin Ingrid Beer verwaltet wird. „Mit dem Geld kaufen wir nun Möbel und eine kleine Küche , dann kann er einziehen“, sagt sie. Einen (gebrauchten) Tisch samt Sessel hat Schleichert schon besorgt – im Caritas-Spendenlager Mittersteig.
Ansonsten hat er nicht viel zu übersiedeln: Kein Radio, keinen Fernseher, nur sein Gewand, seine Toiletteartikel und den Schlafsack von seiner Zeit auf der Straße. Das wird sich bald ändern. Denn ab nächster Woche tritt Schleichert einen Job im Fünf-Stern-Hotel Le Meridien in Wien an. „Als Hausbursche“, wie er sagt, zuständig für Maler- und Schlosserarbeiten. „Und ich kriege drei Mal am Tag warmes Essen.“
Mario Berisha war einer der Ersten, dem Schleichert von der neuen Arbeit erzählte. Berisha ist jener Mann, der am 26. Dezember die 7000 Euro verloren hat und anschließend 1000 Euro Finderlohn zahlte. „Der Mario ist ein super Mensch. Er ruft mich fast täglich an und fragt, ob ich etwas brauche.“ Hermann Schleichert kann es noch immer kaum fassen. „Mein Leben hat sich so gewaltig verändert. Es ist wie ein Lotto-Sechser.“
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