Warum es Suchtkranke nach Wien zieht

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Suchtkranke aus umliegenden Bundesländern kommen an den Gürtel zum „Jedmayer“ der Suchthilfe Wien, um zu konsumieren – zum Ärger der Anrainer. Gespräche zur Problemlösung laufen, ein Gipfel findet nicht statt.

Sie kommen jeden Tag und haben teilweise eine weite Anreise: Suchtkranke aus Niederösterreich, teils auch aus der Steiermark und Oberösterreich versammeln sich entlang der Gumpendorfer Straße, um zu konsumieren.

Nicht nur für die Anrainer der „Gumpi“ wird die Szene zunehmend zum Problem: „Wir beobachten seit dem Frühjahr, dass sehr viele Menschen, die dort konsumieren, gar nicht aus Wien kommen. Das ist ein Problem, weil diese Menschen in einem anderen Bundesland versorgt werden, etwa im Rahmen der Substitutionstherapie“, sagt der Wiener Sucht- und Drogenkoordinator Ewald Lochner.

Da die Betroffenen keine Meldeadresse in Wien haben und dadurch keinen Anspruch auf Mindestsicherung, könne man ihnen auch keine Wohnung für ihren Konsum zur Verfügung stellen.

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Rund um den Gürtel liegen zahlreiche Spritzen, die von Suchtkranken benutzt wurden. 

Konsum auf der Straße

Gerade der Konsum in der Öffentlichkeit ist für viele Anrainer aber untragbar. „Sie spritzen, sie kiffen, sie scheißen mir vors Fenster“, beschrieb es eine Anwohnerin bei einem KURIER-Lokalaugenschein recht plakativ.

Man sei sich darüber im Klaren, dass die Situation für die Anrainer „bei Weitem nicht zufriedenstellend ist“, sagt Lochner. Die Situation ist aber nicht nur auf der Gumpendorfer Straße herausfordernd, sondern zieht sich durch mehrere Bezirke. „Das Areal, in dem sich die Menschen aufhalten, verläuft zwischen Westbahnhof und dem Matzleinsdorfer Platz. Kein kleines Gebiet, deswegen braucht es auch Zeit, um eine Lösung zu erarbeiten“, so der Sucht- und Drogenkoordinator.

Die Stadt arbeite mit allen beteiligten Stakeholdern wie den ÖBB, der Polizei oder den Wiener Linien an mittel- und langfristigen Maßnahmen, heißt es. Vor fünf Wochen kündigte Lochner im ORF einen „sicherheitsstrategischen Gipfel“ mit der Polizei an.

Die Suche nach einem Termin gestaltete sich schwierig, die ÖVP sprach vergangene Woche von einer „Absage des Sicherheitsgipfels vonseiten der SPÖ“. „Die täglichen Maßnahmen reichen nicht aus – die Situation im Grätzl spitzt sich weiter zu und ist außer Kontrolle. Es braucht diesen Sicherheitsgipfel“, heißt es in einer Aussendung.

Ewald Lochner, Drogenkoordinator, Gumpendorfer Straße, Drogen

Ewald Lochner, Sucht- und Drogenkoordinator: „Das Areal, in dem sich Suchtkranke aufhalten, verläuft zwischen Westbahnhof und dem Matzleinsdorfer Platz.“ 

„Die Vorstellung von einem einmaligen Sicherheitsgipfel, wie es medial kommuniziert wird, ist irreführend. Es ist eine Frage, wie man Sicherheitsgipfel definiert. Man kann sagen, das ist ein Gespräch, man kann aber auch sagen, Gipfel umfasst über einen gewissen Zeitraum geführte Gespräche.“ Derzeit gebe es noch keine Ergebnisse. Lochner rechnet damit, dass die Maßnahmen bis Ende des Jahres feststehen.

Jedmayer-Klienten sammeln Spritzen ein 

Ein kleines Projekt, das die Situation vor Ort zumindest teilweise verbessert, heißt „die Sauberklauber“, sagt Lochner.

„Jedmayer-Patienten sammeln in Gruppen von bis zu zehn Personen die Spritzen auf, die andere Suchtkranke rund um die Gumpendorfer Straße liegen lassen“, schildert Lochner. Das Projekt komme sehr gut an, man müsse aber darauf schauen, welche Patienten dafür auch stabil genug sind.

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Jedmayer-Klienten sammeln Spritzen der Suchtkranken auf.  

Budget wird gekürzt

In der Debatte um den richtigen Umgang mit den Suchtkranken an der Gumpendorfer Straße kommt ein Faktor hinzu, der die Planungen erschwert: Der Sparkurs der Stadt Wien trifft auch die Sucht- und Drogenhilfe hart. Laut ORF musste eine Einrichtung bereits mehr als 20 Mitarbeiter beim AMS zur Kündigung anmelden. Andere Einrichtungen sprachen von einer Reduktion der Förderungen in Höhe von 20 bis 50 Prozent.

Zu den Kündigungen will sich Lochner nicht konkret äußern, betont aber, dass sich die Kürzungen nicht auf Suchtkranke in Behandlung auswirken werden. Die Einrichtungen könnten selbst Personalentscheidungen treffen bzw. festlegen, ob Mitarbeiter gekündigt werden.

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