Hilferuf in Gumpendorf: "Sie spritzen in unseren Stiegenhäusern"

Zwei Männer blicken mit dem Rücken zur Kamera in eine Hundezone, wo sich zwei Menschen einen Schuss setzen.
Die Drogenproblematik rund um die U-Bahn-Station Gumpendorfer Straße eskaliert, klagen Anrainer dem KURIER. Sie fühlen sich von der Politik und der Polizei allein gelassen.
Von Uwe Mauch

Es dauert nur zwei Minuten, bis man Menschen, die von ihrer Sucht gezeichnet sind, dabei beobachten kann, wie sie sich in der Hundezone neben der Gürtel-Fahrbahn mit einer Nadel in den Arm stechen. Zeitgleich wandern vor dem stadtauswärtigen Eingang zur U6-Station Gumpendorfer Straße Pillen und Pulver von einer Hand in eine andere.

Es ist gegen 18 Uhr. Die Polizei und zwei Mitarbeiter der Wiener Linien sind auch da, patrouillieren allerdings vor dem anderen Zugang.

„Ein Spießrutenlauf“

„So ist das immer“, sagt Frau Annelies, die ihren kleinen Hund äußerln führt. „Wenn jetzt die Polizei auffährt, dann verlagert sich alles auf die andere Gürtelseite.“ Sie möchte aber den Polizisten, die hier Dienst tun, keine Vorwürfe machen: „Sie sind auf verlorenem Posten.

Schuld an der Misere sei das Tageszentrum Jedmayer der Suchthilfe GmbH, wie das sechsstöckige Haus an der Gumpendorfer Straße genannt wird. Es wurde als zentrale Anlaufstelle für Menschen mit Drogensucht eingerichtet.

Die Situation sei heuer weiter eskaliert, erzählt der besorgte Vater einer sechsjährigen Tochter: „Auf dem Weg in die Schule meide ich mit ihr die U6. Das war jedes Mal ein Spießrutenlauf für mich und mein Kind.“

Von den angekündigten Sicherheitsgipfeln der Stadt, des Bezirks und der Polizei hält er wenig: „Die sind doch schon ewig lang geplant, nur passiert ist bisher nichts.“

Brisant dürfte auch die Lage im Fritz-Imhoff-Park sein. „Gut 700 Menschen, die sich einen Schuss gesetzt haben,“ hat die Architektin Monika Lehner an einem einzigen Tag gezählt. Ihre Wohnung ist schön, die Lage an sich gut, der Blick aus dem Fenster aber ein Graus, wie sie in ihrer Verzweiflung nicht salonfähig beschreibt: „Sie spritzen, sie kiffen, sie scheißen mir vors Fenster.“

Drei Passanten geben ihr Recht, eine ältere Dame fügt gewählter hinzu: „Man sieht auch, wie sich Verzweifelte in ihrer Not am helllichten Tag prostituieren.“

Ein jüngerer Mann sagt: „Bekannte erklären mir immer, dass ich in einem echten Wiener Bobo-Bezirk wohne. Sie sind jedes Mal erstaunt, wenn ich ihnen dann von den Zuständen in meinem Haus erzähle.“ Er wohnt im sechsten Stock in einem Genossenschaftsbau in der Gfrornergasse, alles andere als günstig, dafür mit Garantie auf eine tägliche unliebsame Überraschung: „Irgendwas ist immer.“

Vor wenigen Wochen hat die Hausverwaltung die alte Gegensprechanlage gegen eine neue tauschen lassen. Die neue Anlage ist auch mit einer Kamera ausgestattet. Aus gutem Grund, wie seine Wohnungsnachbarin Verena H. sagt: „Es ist nicht ein Mal passiert, dass du das Haus betrittst und auf jemanden triffst, der hier nicht wohnt.“

Und dann sagt auch sie den Satz, den man an einem einzigen Abend im Quartier rund um die Gumpendorfer und Sechshauser Straße mehr als einmal zu hören bekommt: „Sie spritzen in unseren Stiegenhäusern.“

Die Schilderungen der Anrainer sind wenig gustiös, aber beinahe wortgleich: Sie finden Spritzen und anderes Werkzeug der Süchtigen in ihren Kellern, Höfen, in den Müllräumen, Durchgängen und Stiegenhäusern.

„Blut an den Wänden“

Geschäftsfrau Verena H. aus der Gfrornergasse fügt noch hinzu: „Frisches Blut pickt an den Wänden. Es finden sich bei uns aber auch alle anderen Körpersäfte.“

Die Bewohnerin eines Gemeindebaus in der nahen Aegidigasse hat sich bereits öfters an den Vorsteher ihres Bezirks gewandt. Aus dem Büro von Markus Rumelhart (SPÖ) hat man ihr wortreich zu verstehen gegeben, dass der Bezirksvorsteher mehr Polizei einfordert, dass dies aber in der Kompetenz des Innenministeriums läge.

Die Geschäftsleitungen der beiden Supermärkte in unmittelbarer Nähe der U6-Station haben ihre Schlüsse schneller gezogen: an den Eingängen wurden Security-Mitarbeiter postiert.

Zu denken geben auch die Reaktionen von nicht befangenen Menschen, die sich aus den Bewertungen eines Hotels ablesen lassen: Service, Sauberkeit, auch Komfort und Freundlichkeit des Personals: durchaus gut; Lage des Hotels: miserabel.

„Das gehört weg“, zeigt jemand abschätzig mit dem Finger auf das „Jedmayer“. Auch diese Meinung ist am Gumpendorfer Gürtel mehr als nur mehrheitsfähig.

Auf die Gegenfrage, wie man glaubt, ein klassisches Großstadtproblem lösen zu können, gibt es vonseiten der Anrainer Ideen: „Aber uns hört eh niemand zu.“

Kommentare