Doppelmord in Wien: Lebenslange Haft nach spätem Geständnis

Als Polizisten im vergangenen August das Schlafzimmer in der Wiener Mollardgasse öffneten, schreckten sie zurück. Auf dem Doppelbett lagen die Leichen von Renata Ö. und ihrer 14-jährigen Tochter. Vom Täter fehlte jede Spur, erst 1,5 Monate später konnte der Verdächtige Mahmoud N. in Frankreich festgenommen werden. Bisher schwieg der Beschuldigte. Bei seinem Prozess am Mittwoch im Landesgericht für Strafsachen in Wien meldete er sich zum ersten Mal zu Wort: "Ich bin kein Mörder", sagt er.
Der Tunesier lebt seit 2004 in Österreich. Mit Renata Ö., Mutter von drei Kindern, war er schon länger in einer Lebensgemeinschaft. "Ich habe sie geliebt. Und sie mich", sagt der Angeklagte.
Doch warum ist die Frau dann tot? Und außerdem ihre Tochter? Beide wurden erwürgt.
Mahmoud N. erzählt im Gerichtssaal seine Version der Geschichte. Es sei ein Sex-Unfall gewesen. "Sie steht auf gewisse Sachen", erklärt der Mann. Er erzählt immer in der Gegenwartsform, als wäre Renata Ö. noch am Leben.
Kerzen und Musik
Man habe sich eigentlich einen romantischen Abend machen wollen. Als die zwei jüngeren Kinder im Bett waren, zündete man Kerzen an, machte Musik und zog sich ins Schlafzimmer zurück. Und plötzlich sei die Frau bewusstlos geworden. "Das war nicht ungewöhnlich. Sie hatte hohen Blutdruck. Das ist immer wieder passiert", sagt der 49-jährige Mann. "Sonst ist sie nach fünf bis zehn Minuten wieder aufgewacht. Sie wollte auch nie, dass ich sie wecke."
Doch diesmal habe die Tochter, die im Wohnzimmer beim Fernseher saß, die Bewusstlosigkeit der Mutter mitbekommen. "Sie hat geschrien. Ich hab ihr immer wieder gesagt: Hör auf zu schreien!"
Irgendwann habe sich das Mädchen ins Kinderschlafzimmer zurückgezogen. Aus dem wiederum holte er die junge Frau wieder, zog sie ins Wohnzimmer. "Dort ist er auf dem Mädchen gekniet und hat es gewürgt", schildert die Staatsanwältin. Die jüngeren Brüder, die wach geworden waren, wurden zu Augenzeugen. "Geht sofort schlafen ins Zimmer!", wurde ihnen befohlen.
Kinder gingen zum Augenarzt
Am Morgen danach standen die Buben auf. Das Schlafzimmer war abgeschlossen. Niemand war in der Wohnung. Und die Buben, sieben und neun Jahre alt, gingen alleine zum Augenarzt - dort hatten sie einen Termin. Die Ärztin versuchte die Mutter zu kontaktieren, alarmierte schließlich die Polizei. Die fand den Schlüssel zum Schlafzimmer auf einem Kasten. Die beiden Frauen lagen leblos nebeneinander im Bett. Renata Ö. hatte ein Panzertape über dem Mund.
"Ich wollte sie nicht töten, ich bin kein Mörder", sagt der Angeklagte. "Ich dachte, sie sind vielleicht bewusstlos. Ich war überfordert." Mahmoud N. packte ein paar Sachen zusammen, hob Geld vom Bankomat ab (auch mit der Bankomatkarte seiner toten Lebensgefährtin) und setzte sich in den Zug nach Zürich, dann fuhr er weiter nach Paris.
Auf der Flucht googelte er mit seinem Handy nach: "Österreichisches Gesetzbuch Doppelmord", "Fahndungsliste Interpol" oder "Liebe finden in Paris". Außerdem suchte er nur wenige Tage nach der Tat auf einer Dating-Plattform nach einer Frau. "Das war nicht ich. Ich habe mein Handy jemand anderem gegeben", meint er.
"Relativ ruhiger Typ"
Anwalt Manfred Arbacher-Stöger stellt seinen Mandanten als "relativ ruhigen Typen" dar. "Er hat seine Lebensgefährtin abgöttisch geliebt. Gewisse sexuelle Vorlieben sind hier nicht zu verurteilen." Warum er aber nicht aufgehört habe, die Tochter zu würgen, "ist eine andere Geschichte", gesteht er zu.
Doch nach der Aussage des 9-jährigen Sohnes der Frau, die im Gericht abgespielt wird, ändert sich auch die Verantwortung des Angeklagten. Plötzlich ist er geständig und will keine weiteren Angaben mehr machen.
Der Bub kann auch mehr zu einem möglichen Motiv des Mannes sagen: "Es ist sehr oft zu Streit gekommen, weil ihn meine Mutter dabei erwischt hat, als er mit dem Handy mit anderen Frauen kommuniziert hat." Er habe schon länger "das gefühlt, dass er so etwas machen wird."
Das Urteil fällt einstimmig: Lebenslange Haft. „Dafür gibt es nur die lebenslange Freiheitsstrafe“, lautet die knappe Urteilsbegründung der vorsitzenden Richterin.
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