Vom Herrn Karl bis zu den Steinschafen: Die Geschichte der Wiener Donauinsel

„I geh spazieren im Überschwemmungsgebiet … Inundationsgebiet … Da geh i gern hin! Oft! Wann’s haaß is. Da san so Bombentrichter. Und da liegen s’ drin … de jungen Leit. Madln und Burschen. I maan, i bin ka Voyeur … wie’s vüle gibt, was da so spazierengehn. Aber mit so junge Leit is’ halt a Hetz. Mir ham damals ja no Hemmungen g’habt … aber heit … de kennan nix … die G’fraster! I siech’s ja net … i bin kaaner, der zuaschaut … aber was i so heer … “
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Das erzählte der Herr Karl über einen Ausflug ins Überschwemmungsgebiet. Zwei Wiener Klassiker, sozusagen: Erstens der legendäre Herr Karl, Helmut Qualtingers grantelnde Kultfigur. Und zweitens das einstige Überschwemmungsgebiet, das zur Donauinsel und Neuen Donau wurde, die aus dem Alltag in der Stadt nicht mehr wegzudenken sind.
Die Donauinsel: Viele (vor allem Nicht-Wiener) verbinden mit ihr in erster Linie das Donauinselfest, in zweiter wohl die „Alltagsgeschichte“ über die „Donauinsulaner“ von Elizabeth T. Spira.
Dabei sei die Realität weit facettenreicher, erklärt Martina Nußbaumer. Sie ist Kuratorin im Wien Museum und arbeitet derzeit an einer Ausstellung über das Areal, die ab März 2026 gezeigt wird. Mit dem KURIER unternahm sie schon vorab einen Streifzug durch die Geschichte der Insel.
Sport, Picknick oder ein Stelldichein
Einst befand sich hier ein breiter Streifen, der nicht bebaut werden durfte – das oben zitierte Überschwemmungs- oder Inundationsgebiet. „Damals war es ein vielseitig genutzter Raum: Die Menschen haben gebadet, Picknicks gemacht, Sport getrieben“, beschreibt Nußbaumer. Auch die ersten großen Volksläufe fanden hier statt. Liebespaare trafen sich zum Stelldichein (wie vom Herrn Karl beschrieben), auch Kleinkriminelle trieben sich herum.
Erste Pläne für die Errichtung
Nach dem Hochwasser von 1954 wollte man einen sicheren Hochwasserschutz für Wien schaffen, daher begannen konkrete Planungen für die Donauinsel. „Sie war zunächst ein rein wasserbautechnisches Projekt und es gab auch Ideen, hier einen Bahnhof oder Hochhäuser zu errichten“, beschreibt Nußbaumer.
Die Angst, ein Erholungsgebiet zu verlieren
Freilich gab es im Vorfeld allerhand Bedenken: Dass es in der Stadtpolitik rund um die Errichtung der Donauinsel Zank gab, ist hinlänglich bekannt; sprach sich die ÖVP doch vehement dagegen aus. Doch auch viele Wiener waren skeptisch, da durch den Bau ein wichtiges Erholungsgebiet verloren ging.
Schließlich wurde auch die Donauinsel zum Grünareal gestaltet: Gebaut wurde ab 1972, und schon während der Bauphase eroberten die Wiener ihre Badeplätze zurück.

Ein Bild von Bauarbeiten aus dem Jahr 1974.
Fertiggestellt wurde die Insel 1988. „Für die Stadt war und ist sie seitdem von großer sozialer Bedeutung“, betont Nußbaumer.

Bereits 1984 gab es das erste Donauinselfest. Was klein begann, ist heute ganz groß: Um die 2,5 Millionen Besucher zählte man im Vorjahr.
Die Donauinsel sei ein Raum, der von Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft genutzt wird. „Weite Teile des Areals sind konsumfreie Zone, auch das Baden ist möglich, ohne Eintritt zu bezahlen.“
Und auch sonst gibt es mannigfaltige Möglichkeiten: Man kann etwa Joggen, Skaten, Radfahren, Rudern, Kajakfahren oder die Grill- und Spielplätze nutzen.

Legendär sind die Grillplätze, hier eine Aufnahme aus dem Jahr 2000.
21 Kilometer lang und 300 Meter breit ist die Insel, die zum Naherholungsgebiet umgebaut wurde. Baustart war 1972, die Fertigstellung 1988.
Der Name „Donauinsel“: Die offizielle Benennung fand erst 1984 im Gemeinderatsausschuss für Kultur und Sport statt. Freilich sprach man auch schon vorher von der Donauinsel.
200.000 Besucher kommen im Sommer pro Tag.
Die Ausstellung: Ab März 2026 gibt es im Wien Museum eine Ausstellung über die Donauinsel. Dafür sind rund zwei Jahre Vorbereitungszeit nötig, die Arbeiten laufen bereits. Die Schau wird interdisziplinär in Kooperation mit Ulrike Krippner und Gertrud Haidvogl von der Wiener Universität für Bodenkultur gestaltet.
Bis zu 200.000 Besucher zählt man im Sommer pro Tag – viele Aktivitäten sind aber ganzjährig möglich.
Die Insel ist auch Heimat vieler Tiere
Etwa die Tierbeobachtung: Der mittlere Teil der Insel sei eher Park-artig angelegt, der Norden und Süden hingegen bewusst naturnah gestaltet, so die Kuratorin: „Dort leben etwa Eisvögel, Libellen, Biber, Feldhasen, Kormorane und Schildkröten.“
Im Norden treffe man gar auf eine Herde von Steinschafen: „Sie werden seit fünf Jahren als umweltschonende Mähmaschinen eingesetzt.“ Rund 60 Hektar hätten sie in dieser Zeit bereits abgegrast.
Ob jung oder alt, Mensch oder Tier, Wiener oder Besucher – sie alle sind heute „Donauinsulaner“. Und damit Teil „eines der größten städtebaulichen Projekte des 20. Jahrhunderts“, so Nußbaumer.
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