Digitale Welt: „Hat keinen Sinn, sich zu verweigern“
„Schau“, sagt Pensionistin Ulrike Gstatter (74) und beugt sich zu ihrer Sitznachbarin, „du musst hier drücken und ein bissl warten. Ganz gemütlich.“ Nach wenigen Sekunden leuchtet der Bildschirm der Seniorin wieder auf. Helga Hofbauer nickt dankbar. Dann richtet sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf Technik-Experte Erwin Straßer. „Also, was ist ein Update?“, fragt dieser in die Runde. „Eine Erneuerung!“, rufen Ulrike Gstatter und Helga Hofbauer im Chor mit den anderen Probanden.
Ein Dutzend Senioren haben sich an diesem Frühlingstag in dem Seminarraum des Fonds Soziales Wien eingefunden. Jede Person hat einen Tablet und eine Notfallknopf-Uhr vor sich auf dem Tisch liegen. Die Pensionisten sind Teil einer groß angelegten Studie, unterstützt von der Stadt Wien, initiiert und begleitet von Julia Sauskojus von der „Smart City Agency“. Es sei ja ein sehr begrüßenswerter Schritt des neuen Bürgermeisters Michael Ludwig (SPÖ), Wien zur „Hauptstadt der Digitalisierung“ zu machen, meint Sauskojus. Allein: Es dürfe die immer größer werdende Gruppe der Senioren nicht vergessen werden, die ohne Digitalisierung aufgewachsen sind. Knapp ein Viertel der österreichischen Bevölkerung ist älter als 60 Jahre alt. Tendenz steigend.
Technologie im Alltag
Hier komme also ihre Waalter-Studie (Infos siehe Kasten) ins Spiel. Dabei werde untersucht, ob und wie Technologie den Alltag von Senioren unterstützen und die Lebensqualität verbessern kann. 155 Haushalte werden dafür eineinhalb Jahre lang begleitet. 87 von ihnen werden mit Tablets, auf denen spezielle Waalter-Apps installiert wurden, Notrufknopf und teilweise mit Sturzdetektor ausgestattet; die restlichen Haushalte erhalten keine technische Unterstützung. Im August 2019 wird verglichen, wie sehr sich die beiden Gruppen in ihrem digitalen Verhalten unterscheiden.
Zu Jahresbeginn wurde nach Freiwilligen gesucht, im Frühjahr wurde den Probanden dann in Kleingruppen die Technik, die sie in den kommenden 18 Monaten begleiten wird (und deren Benefit sie dabei hoffentlich erkennen), erklärt.
Erwin Straßer nimmt wieder das Tablet zur Hand und geht die verschiedenen Apps auf dem Tablet durch. Die Unterschiede zu handelsüblichen Tablets fallen auf den ersten Blick auf: Große Icons, einfache Sprache, keine Anglizismen. Das Hauptaugenmerk liegt auf Gesundheit, Sicherheit, Kommunikation und Mobilität. Grundsätzlich wurde für Waalter aber nichts neu entwickelt, nur neu zusammengesetzt. Der Routenplaner kann etwa an die persönlichen Bedürfnisse angepasst werden. Zum Beispiel können öffentliche Toiletten am Weg angezeigt und der maximale Fußweg auf zehn Minuten begrenzt werden.
Routenplaner, bei diesem Wort nickt Ulrike Gstatter wieder. Die 74-jährige Hobby-Fotografin geht gerne wandern. Generell ist sie an der modernen Technik schon interessiert, ein bisschen skeptisch ist sie aber auch. Ein Smartphone besitzt sie jedenfalls noch keines.
Ganz anders ist die zwei Jahre ältere Helga Hofbauer. Sie hat einen Laptop, einen Stand-PC und auch ein Handy. Sogar eMails versenden kann sie mit ihrem Handy.
Ohne Smartphone, da pflichtet ihr die 63-jährige Susanne Biri bei, geht es einfach nicht mehr. „Das ist, wie wenn du sagst, du fährst nicht Bim. Es macht überhaupt keinen Sinn, sich dieser Entwicklung zu verweigern.“
Das Waalter-Projekt
Worum geht es?
Waalter steht für: Wiener AALTestRegion (AAL bedeutet „active and assisted living“, zu Deutsch: „altersgerechte Assistenzsysteme für ein aktives, Leben“). Ziel der Studie ist es, herauszufinden, wie digitale Angebote für die Generation 60+ adaptiert werden sollten und wie wiederum Senioren von der Digitalisierung profitieren können.
Wer, wo und wie lange?
87 Personen wurden mit Tablet, Notfallknopfuhr und teilweise mit Sturzdetektor ausgestattet. 68 Haushalte nicht. Nach eineinhalb Jahren werden die Ergebnisse verglichen. Die Testphase wird
im August 2019 enden.
Infos: www.waalter.wien
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