Die Zweitdiagnose via Internet

Die Zweitdiagnose via Internet
Beratung vor Eingriff. Neue Plattform will Patienten Zusatzmeinung eines Spezialisten bieten

Österreichische Ärzte greifen gerne zum Skalpell. Dieser Fakt wurde in einer OECD-Studie im Jahr 2015 klar.

Mit 266 Spitalsentlassungen pro 1000 Einwohner liegen die Zahlen 70 Prozent über dem OECD-Durchschnitt. Vor allem Knie-, Hüft- und Rückenoperationen werden in Österreich überdurchschnittlich oft und – laut der Meinung einiger Experten – vorschnell durchgeführt.

Patienten müssen sich aber auf den Rat des Arztes verlassen, eine Zweitmeinung auf eigene Rechnung zu einzuholen, kann teuer werden und ist mit Zeitaufwand verbunden. Ein neues Internetportal will zumindest das mit dem Zeitaufwand ändern. „Doctoritas“ ist eine Plattform, auf der jeder Patient für 250 Euro eine Zweitmeinung von Spezialisten einholen kann.

Online Arzt

Das System funktioniert ausschließlich online. Alle Befunde des Patienten werden hochgeladen, bevor einer der 18 Mediziner binnen einer Woche seine unabhängige Meinung zu dem Fall abgibt. Die Ärzte, die mit „Doctoritas“ zusammenarbeiten, sind laut den Betreibern alle ausgewiesene Spezialisten, bei denen man in der Praxis oft lange auf Termine warten müsste.

Mitbegründet wurde das Portal vom renommierten Herzchirurgen Ernst Wolner. „Ich bin der festen Überzeugung, dass digitale Medizin schon bald eine große Rolle spielen wird. Alleine das Problem des Landärztemangels könnte damit eine Lösung finden“, sagt Wolner im KURIER-Gespräch.

Laut dem Experten könnte jeder dritte Arztbesuch auch über das Internet erledigt werden, weil die Mediziner die Patienten nicht persönlich sehen müssten. In der Schweiz gibt es etwa die Internetseite „eedoctors“, wo Patienten ohne Wartezeit am Smartphone beraten werden. Das Gespräch mit dem Arzt erfolgt per Video-Chat. Die Mediziner sind täglich von 8 bis 21 Uhr erreichbar.

Ähnliche Lösungen wünscht sich Ernst Wolner für Österreich. Und auch die Zahl der Operationen könnte dadurch verringert werden, meint der Mediziner. „Das Einholen einer Zweitmeinung reduziert Eingriffe bestimmt. Es gibt in vielen Fällen oft alternative Behandlungsmethoden“, sagt Wolner.

Keine Konkurrenz

Besonders wichtig ist es dem Mediziner, zu betonen, dass die Plattform keinesfalls Patienten abwerben will: „Es geht darum, mit der Diagnose unserer Experten erneut den eigenen Arzt aufzusuchen und darüber zu sprechen.“ Besonders in Fällen in denen Patienten keine eindeutige Diagnose bekommen oder die Behandlungsmethode ein hohes Risiko birgt, soll Doctoritas Abhilfe schaffen.

Ärztekammer skeptisch

Skeptisch ist die Ärztekammer gegenüber den Plänen. Präsident Thomas Szekeres meint, dass „eine zweite Meinung immer Sinn macht. Man muss aber sicherstellen, dass das jeweilige Gegenüber auch kompetent ist“.

Das sei bei Beratungen im Internet meist nicht sichergestellt. Im Zweifel könne man auf der Homepage der Ärztekammer überprüfen, wer tatsächlich ein Facharzt ist. Szekeres merkt außerdem an, dass 250 Euro „nicht gerade billig“ sind.

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