Die verlorenen Akten der Heimkinder
Es gibt sie. Jene Unterlagen, die belegen, dass heute Erwachsene vor 20, 30, 40 Jahren in Kinderheimen der Stadt Wien untergebracht waren. Manchmal detailreich mit monatlichen Beurteilungen, psychologischen Gutachten, Urlaubsbestätigungen und Bekleidungsverzeichnissen. Oft sind die Schriftstücke, die die Ex-Zöglinge in der Zwischenzeit von der Stadt Wien bekommen haben, lückenhaft.
Ingrid E. war im Jahr 1969/’70 im Wiener Kinderheim im Schloss Wilhelminenberg. "Von dort habe ich überhaupt keine Unterlagen", sagt E. Einzig ein altes Schreiben des Jugendamtes bestätigt die Einweisung in das in Verruf geratene, 1977 geschlossene Heim. Auch das Jugendamt selbst dürfte damals an der Aktenführung verzweifelt sein. In einem Schreiben, das E. vorliegt, heißt es: "Wie üblich gibt es vom Wilhelminenberg keine Unterlagen." "Die Akten sind die größte Frechheit", sagt Olga S. Sie war in fünf Kinderheimen, auch am Wilhelminenberg, untergebracht: "Von jedem Heim gibt es nur eine Seite im Akt. Wo ist der Rest?" Ähnlich geht es Melitta V., die kaum Schriftstücke über ihre Zeit am Wilhelminenberg bekommen hat.
"Vertuschen"
Gerald C. hat seine Akten via Opferschutz-Organisation Weisser Ringangefordert. Just jene letzten zwei Jahre im Heim Hohe Warte fehlen in den Unterlagen. "Ich vermute, die wollen etwas vertuschen", sagt C.
Vertuschung kann die Richterin Barbara Helige nicht bestätigen. Sie leitet jene Kommission, die die Vorwürfe – von psychischer und physischer bis hin zu sexueller Gewalt – im Kinderheim Wilhelminenberg klären soll. "Fehlen Unterlagen, können wir das nur nachvollziehen, wenn ehemalige Heimkinder uns darauf hinweisen. Dann können wir der Sache nachgehen." In den Akten, die der Kommission zugestellt wurden, seien keine Lücken entdeckt worden. Die Personalakten der Erzieherinnen werden bald an die Kommission übermittelt. Wie berichtet, hat sich dies aus Datenschutzgründen verzögert.
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