Die junge Mutter mit der Fußfessel

Baby, Hund und Fußfessel: Michaela J. macht, was eine junge Mutter auch sonst tun würde, nur elektronisch überwacht.
Wie eine 18-Jährige im elektronisch überwachten Hausarrest ihr Baby betreut.

An einem Mittwoch im Juni kam ihr Sohn auf die Welt, am Donnerstag rief Michaela J. schon beim Bewährungshelfer an und verkündete: "Wir können mit der Fußfessel anfangen." Betreuer Philipp Pümpel war beeindruckt: "Ihr Wille, das durchzuziehen, war ganz klar. Und schon so schnell nach der Geburt. Wenn ich nur einen Husten hab’, bin ich sterbenskrank."

Eigentlich wollte Michaela J. schon in der Schwangerschaft mit dem elektronisch überwachten Hausarrest beginnen. Aber das Ab- und Anlegen der Fußfessel bei jedem Röntgen wäre zu aufwendig gewesen.

Falsche Freunde

Die 18-jährige Wienerin ist schon mit 14 erstmals straffällig geworden. "Ich war im falschen Freundeskreis", sagt sie beim KURIER-Lokalaugenschein. Schlägerei, Handyraub, fünf Monate bedingt, bald darauf wieder eine Körperverletzung, diesmal kam sie für vier Monate ins Gefängnis. Nach der Entlassung eine dritte Körperverletzung, es folgten 18 Monate unbedingt plus Widerruf einer fünfmonatigen Bewährungsstrafe. 16 Monate saß Michaela J. in der Schwarzau ab, dann wurde sie vorzeitig entlassen. Die Auflage, sich einem Antigewalttraining zu unterziehen, erfüllte die 18-Jährige nicht.

"Die sind mir dort auf die Nerven gegangen und haben intime Fragen über meinen Vater und meine Kindheit gestellt." Die bedingte Entlassung wurde widerrufen, Michaela J. sollte den Rest der Strafe – sieben Monate – absitzen. Inzwischen war sie schwanger geworden, hatte sich von der verhängnisvollen Clique entfernt, beantragte die Fußfessel und bekam sie auch. Dafür braucht man eine Wohnung, sie lebt mit Baby und ihrem Lebensgefährten bei der Oma. Und man braucht einen Job. Den hat sie, die Kinderbetreuung wird als Arbeit anerkannt.

Seit fünf Jahren gibt es die Fußfessel. 14 Prozent der 3200 Straftäter, die ihre Haftstrafe (zumindest zum Teil) im Hausarrest verbüßt haben, sind Frauen. Das sind mehr als doppelt so viele Frauen, wie sonst in Haft sind. Die Fußfessel ist familienfreundlich, denn die Frauen (aber auch Männer) werden nicht von ihren Kindern getrennt und nicht aus ihrem sozialen Umfeld gerissen.

Der Verein Neustart erstellt ein striktes Aufsichtsprofil: Einige Stunden am Tag darf Michaela J. mit ihrem Sohn die Wohnung verlassen, zum Arzt oder auf Besuch zu ihrer Mutter. Am Samstag vormittag darf sie einkaufen gehen, jeden zweiten Sonntag bekommt sie Ausgang, die restliche Zeit muss sie in der Wohnung bleiben. Selbst wenn der Hund unvorhergesehen Gassi müsste, dürfte Michaela J. dann nicht hinausgehen (aber es ist ohnehin immer die Oma da). Schon ein paar Schritte ins Stiegenhaus würden über den Sender in der Fußfessel und das in der Wohnung installierte Modem Alarm auslösen.

Wenn sie Ausgang hat, geht Michaela J. auch ins Schwimmbad. Samt wassertauglicher Fußfessel. "Wenn mich jemand darauf anspricht, dann sage ich, es ist ein Schrittzähler. Aber warum soll ich mich verstecken? Ich muss damit leben und nicht die anderen", sagt sie.

Überpünktlich

Kontrolliert wird der Hausarrest von der Überwachungszentrale des Strafvollzugs. Michaela J. muss den Zeitplan streng einhalten und übers Handy immer erreichbar sein. Kürzlich hat sie es im Auto ihres Neffen liegen gelassen, prompt kam ein Kontrollanruf. Bewährungshelfer Pümpel wurde eingeschaltet und klärte den Sachverhalt. "Es schwebt ständig das Damoklesschwert über ihr, dass die Fußfessel widerrufen wird", sagt er. Fünf Monate hat Michaela J. noch offen, zumindest so lange muss sie überpünktlich sein.

Kommentare