"Die Gefahr gehört zum Job dazu"
"Dann stehst du dort und atmest einmal schwer durch", erzählt Sprengstoffexperte Andreas Waloschek über einen Einsatz im April 2016. Ein direkt an die Direktorin adressiertes Paket erreichte damals das Kunsthistorische Museum in Wien. "Sie hatte aber nichts bestellt. Keiner wusste, wo es herkam, und drinnen war ein grün blinkendes Licht. Genauso wie du es aus den amerikanischen Filmen kennst", beschreibt er. Also wurde der Spürhund geholt, und dieser schlug zwei Mal an.
Dann folgte das übliche Prozedere: Entschärfungsdienst, Rettung und Feuerwehr wurden alarmiert – auch der Katastrophenzug rückte an. "Ein Kollege musste dann das verdächtige Paket mittels Bergestange herunterheben, um ein Bild mit dem Röntgengerät machen zu können. Der Einsatzleiter von der Rettung kam herein, fragte den Kollegen nach dem Alter und der Blutgruppe und sagte: ,Ein Bett im Lorenz-Böhler-Krankenhaus ist schon reserviert.’ Da ist der Mann umgekippt. Da wird dir dann klar, dass das richtig gefährlich werden kann. Es gehört einfach zum Job dazu."
Doch nach einer Öffnung kam die Entwarnung: Es handelte sich um ein Zubehör für Kinderfahrräder.
Seit 1966 werden Polizisten zu sogenannten "Sprengstoffkundigen Organen" (SKO) ausgebildet. Die geschulten Beamten sind die ersten, die verdächtige Gegenstände und Kriegsmaterial inspizieren. Mehr als 100 Polizisten sind als solche ausgebildet, nur zwei Beamte üben diese Tätigkeit in Wien hauptberuflich aus.
Einer von ihnen ist eben Andreas Waloschek. Der 52-Jährige versucht seit rund zehn Jahren, verdächtige Gegenstände zu erkennen – er gilt innerhalb der Abteilung als "Leitwolf mit dem richtigen Riecher".
Lebensversicherung
"Vor Ort habe ich eine Gefährdungseinschätzung zu machen, ich muss mir einen Überblick verschaffen. Welche Absperrmaßnahmen muss ich treffen? Kann ich den Spürhund einsetzen? Wenn du einen Sprengstoffverdacht hast, verständigst du den Entschärfungs- oder Entminungsdienst", erzählt er von seiner Arbeit. Selbst entschärfen dürfen die Sprengstoffkundigen Organe eigentlich nicht.
"Wir können aber in eine solche Lage kommen", ergänzt er. Eine entsprechende Ausbildung haben die Männer und Frauen (in Österreich gibt es zwei weibliche SKOs) aber. Diese dauert 13 Wochen. Die Experten werden außerdem als Pyrotechniker und – wegen der verwendeten Röntgengeräte – auch als Strahlenschutzbeauftragte geschult. Waloschek besitzt auch eine Lebensversicherung. "Von der Behörde aus", wie er sagt.
"Wir haben in Wien 24 Stunden lang Rufbereitschaft. Jeder SKO, der im Dienst ist, muss sich melden. Mich rufens aber auch so an", scherzt der Gruppeninspektor – sein Klingelton ist übrigens Hells Bells von AC/DC. "So auch an meinem 50. Geburtstag. Um 20.30 Uhr meldet sich die Leitstelle und sagt: ,Wir erreichen die Rufbereitschaft nicht.’ Was hab’ ich an meinem 50. Geburtstag gemacht? Ich bin zu einem verdächtigen Koffer in den 4. Bezirk gefahren. Im Endeffekt war es ein Werkzeugkoffer."
908 Einsätze
Vergangenes Jahr mussten die Sprengstoffkundigen Organe in der Bundeshauptstadt insgesamt 908 Mal ausrücken. Innerhalb der vergangenen vier Jahre haben sich die Einsätze verdreifacht (siehe Grafik unten).
Laut Waloschek sei dies auf die weltweite Terrorlage zurückzuführen. "Wir sind auch bei Cobra-Einsätzen wegen Islamisten oder Dschihadisten dabei", erzählt der Gruppeninspektor.
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