Der Tod springt immer wieder mit

Der Tod springt immer wieder mit
Vier Tote seit 2007 in Wien. Die „Höhe wird unterschätzt“. 700 Euro Strafe drohen.

Am Samstag gab es den ersten (illegalen) Wettbewerb, am Sonntag wieder einen Verletzten. Die Suche nach dem „Kick“ bringt die Jugend immer stärker zu einem gefährlichen Trend – dem Brückenspringen.

Dass es seit 2007 vier Todesopfer in Wien gab, interessiert die Springer nicht und die Zuseher auch nicht als der KURIER Zeuge vor der U-Bahn-Station Donauinsel wird: „Spring, spring“, skandiert die Menge. „Hast du keine Eier?“, rufen die Freunde von unten. Doch der Brückenspringer ziert sich. Er will noch etwas posieren, so viel Show muss sein: „Jaaaa, erst ein Foto“, sagt der junge Mann in der orangefarbenen Badehose und macht Victory-Zeichen. „Wer weiß, was nachher ist“, murmelt er schon etwas leiser.

Nach einigen Minuten folgt ein Schrei, der junge Mann fällt etwa zwölf Meter in die Tiefe. Es folgt ein lautes Aufklatschen. Wenige Sekunden danach steigt er zu seinen Freunden ins unten wartende Boot, und winkt der johlenden Menge freundlich zu. „Danke, danke“, ruft er erleichtert. Augenblicke später verschwindet er unter der Brücke und ist fort. Die rund 50 Zuschauer verlassen den Ort des Geschehens, manche posten ihre gerade gemachten Fotos gleich auf Facebook. „Ich muss dir erzählen, was ich gerade erlebt habe“, schildert ein anderer am Telefon.

Der Tod springt immer wieder mit
Brückenspringer, Reichsbrücke in Wien
„In den vergangenen Tagen sind einige gesprungen“, berichtet Polizeisprecher Roman Hahslinger. Auch am kommenden Wochenende wird es wieder heiß werden, mit weiteren Sprüngen muss also gerechnet werden.

„Das ist alles nicht so harmlos, wie es auf manche wirkt. Es ist sehr gefährlich“, warnt ein Polizeibeamter, der seit Jahren im Umfeld der Brücke im Einsatz ist. Seit 2007 sind zumindest vier Springer bei diesen leichtsinnigen Show-Einlagen gestorben.

Vier Todesopfer

Im vergangenen Juli stürzte sich ein 22-jähriger bei der Reichsbrücke in die Tiefe, seine Leiche wurde von Feuerwehrtauchern 50 Meter stromabwärts geborgen. Ein Jahr zuvor wollten drei Studenten als Mutprobe von der Brigittenauer Brücke springen, nur zwei kamen zurück ans Ufer. Für Benedikt S., 24, gab es keine Rettung mehr.

Beim Donauinselfest 2007 waren zwei Tote zu beklagen – eine 17-Jährige und ihr Begleiter (31) sprangen von der Brigittenauer Brücke in den Tod. Bei manch anderen ist es nicht immer klar, ob es vielleicht doch ein absichtlicher Selbstmord war.

Noch gefährlicher als die Reichsbrücke ist die Brigittenauer Brücke, weil sie etwa sechs Meter höher ist. Auch ein bestimmtes Lokal in der Umgebung gilt als Anziehungspunkt: Hier wird erst getrunken, dann gesprungen, wird erzählt.

Unterschätzt wird von den Springern vor allem, dass die Donau beim Entlastungsgerinne nicht tief genug ist. Selbst für Profis kann es gefährlich werden. Ein Polizist etwa sprang für Dreharbeiten zu einem TV-Film selbst von der Brücke und brach sich dabei zwei Knochen der Wirbelsäule. Polizei und Rettung raten daher dringend davon ab, den Sprung zu wagen.

Seit 1954 verboten

Theoretisch ist das verboten. Laut Amtsblatt von 1954 ist die widmungswidrige Benutzung von Brücken untersagt – dabei wird neben dem Hinunterwerfen von Gegenständen auch das Springen explizit erwähnt. Der Strafrahmen geht laut Wiener Stadtverfassung bis 700 Euro. Ob tatsächlich jemals jemand deswegen bestraft wurde, ist allerdings unklar.

Sie springen, obwohl die Gefahren bekannt sind. Im KURIER-Interview erklärt ein Niederösterreicher warum.

KURIER: Warum geht man das Wagnis ein, obwohl man weiß dass das schlimme Folgen haben kann?

Stefan: Als ich gesprungen bin, war das einfach eine spontane Idee. Ich war damals skateboarden und wollte mich abkühlen. Da hat es sich angeboten, den Sprung einmal auszuprobieren. Ich bin auch schon im Schwimmbad vom Zehn-Meter-Brett gesprungen, aber das kann man nicht damit vergleichen.

Wo liegt der Unterschied zu einem Sprung vom Zehn-Meter-Brett?

Es ist der Nervenkitzel. Anfangs weiß man ja nicht genau, wie hoch die Brücke wirklich ist, und wie es sich anfühlen wird.

Verspürt man keine Angst, wenn man oben auf der Brücke steht und den Abgrund sieht?

Doch, ich hatte ehrlich gesagt schon ein mulmiges Gefühl. Man weiß ja nicht sicher, ob das Wasser einen mitreißen wird, oder was sonst noch passieren könnte. Ich habe versucht, in diesem Moment nicht zu viel darüber nachzudenken.

Warum tut man sich so einen Sprung an?

Beim Sprung selbst habe ich mich frei wie ein Vogel gefühlt. Als ich aufs Wasser traf‚ hat es sich aber eher angefühlt, als wäre ich schwer wie ein Stein. Es war einfach spannend, von einem „Gebäude“ zu springen. Es ist einfach ein besonderer Kick und gibt einem ein geiles Gefühl.

Wirst du den Sprung wiederholen?

Nein , das werde ich nicht. Obwohl es ein aufregendes Erlebnis war, wird es für mich bei dem einen Mal bleiben.

Ein "Trend" zum Brückenspringen wie in Wien hat sich in Niederösterreich in diesem Sommer noch nicht abgezeichnet. Die Donaubrücken sind dafür laut Wasserrettung jedenfalls zu hoch. "Wo aber immer wieder gesprungen wird - solang das Wasser tief genug ist - ist beispielsweise am Frequency-Festival von der Traisenbrücke", sagt Wolfgang Österreicher, stellvertretender Leiter der Wasserrettung in Niederösterreich. "Wir haben hier zwar Security-Personal im Einsatz, aber wenn du auf der einen Seite absperrst, kraxeln sie auf der anderen wieder rauf", sagt Österreicher.

Auch von der Stauseebrücke in Ottenstein stürzen sich Waghalsige im Sommer oft ins Wasser. Einer von ihnen ist der 26-jährige Patrick aus Zwettl. "Der Kick ist unbeschreiblich", sagt Patrick, und versucht dann doch eine Beschreibung: "Du stehst oben, schaust runter, dann spürst du dein Herz, wie es immer schneller schlägt. Und wenn du dann springst, glaubst du sowieso, dass das Herz kurz stehenbleibt. Die kurze Flugphase kommt einem vor, wie im Film", schildert der 26-Jährige. "Und am Schluss freust du dich einfach, wenn du keinen Bauchplatscher gmacht hast."

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