Das fragwürdige Geschäft mit Hunden
Sabine Kainrath (*Name geändert) filmte in der Wohnung in Wien-Donaustadt mit: Die Verkäuferin hielt ihr einen von 13 Chihuahua-Welpen hin. Die Tiere, sagte sie später am Wiener Straflandesgericht aus, wirkten krank und schwach. Sie war eine jener Scheinkäuferinnen, die für die Tierschutz-Organisation Vier Pfoten einem Welpen-Händler-Paar erfolgreich das Handwerk legte.
Als Scheinkäuferin hat Kainrath viel Arbeit. Zumindest dann, wenn man Tierschutzorganisationen und der Stadt Wien glaubt. Demnach ist das Internet längst zu einem Tummelplatz für kaltschnäuzige Tierhändler geworden. Von Vogelspinnen bis zum Mops ist auf den virtuellen Marktplätzen alles im Angebot. Teilweise zu Spottpreisen.
Sima nannte Zahlen und einen angeblich Schuldigen beim Namen – nämlich Österreichs reichweitenstärkste Plattform www.willhaben.at. 8800 Tiere würden dort durchschnittlich pro Tag feilgeboten, rund hundert Vierbeiner verkauft, recherchierte die Wiener Tierschutzombudsstelle für eine Studie. Die Politikerin zeigte sich sichtlich verstimmt, dass die Online-Plattformen trotz ihrer Einwände weiterhin an ihren Tier-Rubriken festhalten.
Genau dieser Eindruck hat sich am Dienstag bestätigt, denn willhaben.at hält nichts von Simas Forderung, den Online-Verkauf von Tieren gänzlich zu verbieten. Unterstützt von einer Tierschutzorganisation startete das Unternehmen eine "Aufklärungskampagne" – und erntete dafür Kritik. "Es ist inkonsequent, wenn man zu dem Problem beiträgt, über das man aufklären will", sagt Elisabeth Penz von Vier Pfoten. Ähnlich sieht es Madeleine Petrovic vom Wiener Tierschutzverein, die sich ebenfalls "für ein Verbot" ausspricht.
Zukünftig, so verspricht es willhaben.at, erfährt der Kaufinteressent auf der Homepage, worauf er achten muss. Es werde "über die Gefahren beim Kauf von zu billig angebotenen und nicht tierschutzgerecht gezüchteten Tieren informiert".
Michael Gawanda von willhaben.at warnt vor einem Totalverbot: "Die Interessenten wandern auf andere Kanäle ab. Und das ist nicht im Sinn der Tiere", erklärt er. Als Beispiel nennt er die Hunde-Inserate: Rund 2200 Annoncen gebe es, 90 Prozent seien für "ältere" Hunde bestimmt. "Für die würde nur noch der Weg ins Tierheim bleiben", sagt er. Man wolle deshalb "vor allem preisbewusste Interessenten abholen, wo sie nachschauen".
Rechtlich unklar
Ein Verbot der Geschäftsanbahnung bei Tierverkäufen über das Internet ist nicht in Sicht. Im für Tierschutz zuständigen Gesundheitsministerium heißt es: "Wir haben das Problem auf dem Radar." Regeln ließe es sich durch eine Novelle des Tierschutzgesetzes. Diese sei geplant, der Zeitpunkt aber offen, betont eine Sprecherin.
Was kann gegen den Handel mit Hunden aus Qualzuchten unternommen werden? Petrovic verlangt von der Wiener Stadtregierung Anreize, sich einen Hund aus einem Tierheim zu holen. "Für diese Tiere entfällt die Hundesteuer." Für Tiere mit fragwürdiger Herkunft solle sie höher sein.
Die Tierschutz-Aktivistin Kainrath schrieb Geschichte. Durch ihre Hilfe wurden erstmals Welpen-Händler zu Haftstrafen verurteilt.
Fünf Hundebabys wurden am Dienstagnachmittag aus einem Wiener Kellerverlies befreit. Ein Dealer-Paar hatte die Tiere über eine Internet-Plattform angeboten. Transportpapiere oder Gesundheitsnachweise gab es natürlich keine. Um den illegalen Welpenhändlern das Handwerk zu legen, schickte die Stadt Wien Scheinkäufer los. Das Dealer-Paar wurde auf freiem Fuß angezeigt und muss mit einer Strafe von bis zu 7500 Euro rechnen. Die zehn Wochen alten Welpen werden im Tierschutzhaus Vösendorf aufgepäppelt.
Ein Fall von vielen. "Täglich werden allein in Wien 100 Hunde übers Internet verkauft", sagt Tierschutz-Stadträtin Ulli Sima (SP). Allein auf der größten Plattform "willhaben" stünden im Schnitt 8800 Tier-Inserate täglich (was seitens des Unternehmens bestritten wird – es wären viel weniger).
Tierleid vom Fließband
"Wenn Tiere im Internet angeboten werden, sind das zu 99 Prozent illegale Deals", betont Sima. "Diese Tiere werden in Nachbarländern regelrecht produziert. In solchen ,Fabriken‘ haben sie oft kein Tageslicht, sie werden der Mutter früh entzogen, sind nicht geimpft und werden für den Verkaufstermin fit gespritzt." Kunden, die solche Welpen kaufen, zahlen zwar bloß ein Viertel vom Züchter-Preis. Dafür handeln sie sich nicht selten hohe Tierarztkosten ein.
Um der Problematik Herr zu werden, gingen Scheinkäufer der Stadt Hunderten Inseraten nach. "Es hat sich in jedem Fall um illegale Welpenhändler gehandelt. Sämtliche Dealer wurden angezeigt und die Tiere abgenommen", erklärt Sima. Sie will die Öffentlichkeit zu erhöhter Aufmerksamkeit motivieren: "Unter der Helpline 4000-8060 kann man verdächtige Deals melden."
Bei "willhaben" ist man sich der Problematik bewusst. Ein Verbot, mit Tieren im Internet zu handeln, hält man aber für einen "Schnellschuss". "Was bringt das? Dann inseriert halt der Interessent und der Händler ruft ihn an", meint Sicherheitsbeauftragter Michael Gawanda. Die Identifizierung illegaler Händler sei oft schwierig – wenn jemand etwa behauptet, er suche wegen einer Erkrankung ein neues Heim für sein Tier.
Das Unternehmen startet dafür in Kooperation mit dem Österreichischen Tierschutzverein eine Info-Kampagne. "Um den illegalen Händlern das Wasser abzugraben, weisen wir Interessenten auf drei Punkte hin: a) Sie sollten prüfen, ob es sich um einen zugelassenen Züchter handelt; b) ,billig‘ heißt oft ,krank‘. Und c) Sie sollten sich immer das Muttertier und den Aufzuchtsort zeigen lassen. Kommen Zweifel auf, dann Hände weg von dem Deal."
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