Im Corona-Lockdown radikalisiert: Junger Ex-IS-Anhänger verurteilt
Ein 20-Jähriger ist am Dienstag am Wiener Landesgericht wegen terroristischer Vereinigung schuldig gesprochen worden, weil er im Jahr 2021 als Administrator eine Chat-Gruppe geleitet haben soll, in der das Gedankengut der radikalislamistischen Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS) propagiert wurde.
Er erstellte offenbar auch selbst Beiträge, mit denen er vor allem Inhalte des rechtskräftig zu 20 Jahren Haft verurteilten heimischen "Hasspredigers" Mirsad O. alias Ebu Tejma verbreitete.
Der Schöffensenat verurteilte den bisher unbescholtenen Gymnasiasten mit tschetschenischen Wurzeln, sah aber von der Verhängung einer Strafe ab. Der Angeklagte hatte nachweislich seine terroristischen Aktivitäten Ende 2021 eingestellt und sich seither nicht mehr für den IS betätigt. "Das war nur eine Phase. Dann bin ich wieder zu Sinnen gekommen. Ich bin aufgewacht", erklärte er dem Gericht.
Verteidigerin Astrid Wagner merkte ergänzend an, ihr Mandant habe sich in der Corona-Zeit radikalisiert. Die Lockdowns hätten ihm nicht gut getan, schilderte Wagner, wobei sie eine Bestätigung vorlegte, der zufolge der Bursch während der Pandemie eine Psychotherapie zur Behandlung einer Depression sowie einer Zwangsstörung absolviert hatte. "Das war eine spezielle Situation, die ihn stark belastet hat. Er war eingesperrt und hat sich für den Islam zu interessieren begonnen. Weltanschaulich ist das dann ins Islamistische abgeglitten", sagte Wagner.
Die dem IS zugewandte Chat-Gruppe hatte bis zu 68 Mitglieder umfasst. Auf die Spur des nunmehr 20-jährigen Ex-Administrators kam man erst im Vorjahr, als ein ehemaliges Mitglied, das nach wie vor die Ziele des IS vertritt, festgenommen wurde. Bei Durchsicht des beschlagnahmten Handys stieß man auf die Gruppe, der seinerzeitige Administrator konnte aufgrund der hinterlegten Telefonnummer ausgeforscht werden.
"Ich distanziere mich von all dem", legte der Angeklagte ein umfassendes und reumütiges Geständnis ab. Er wolle demnächst maturieren und dann Medizin studieren. "Er ist ein braves Bürscherl", versicherte Verteidigerin Wagner.
"Wir sind der Meinung, dass Sie eine Chance verdient haben", erläuterte die vorsitzende Richterin, weshalb nach einer längeren Beratungszeit ein Schuldspruch ohne Strafe erging. Die Beiträge in der Chat-Gruppe hätten zwar den Tatbestand der terroristischen Vereinigung erfüllt, seien aber inhaltlich am "untersten Rand dessen, was man in solchen Verfahren üblicherweise liest", meinte die Richterin.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Staatsanwalt gab vorerst keine Erklärung ab.
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