"Weitsicht Cobenzl": Aufregung um Gebäude im Grünland

Die hohe Prominenz ließ hoch über Wien die Sektkorken knallen. Als im September 2022 auf die Eröffnung der „Weitsicht Cobenzl“ angestoßen wurde, war eines gewiss kein Thema: Dass die Erweiterung der schicken Gastro-Location im streng geschützten Wald- und Wiesengürtel erfolgte und die Grenzen der damals gültigen Widmung sprengte.
Erst jetzt, 2,5 Jahre nach der Eröffnung, wird „nachgewidmet“ und der Gebäudebestand rechtlich abgesichert.
KURIER-Recherchen werfen damit wieder ein Schlaglicht auf das Cobenzl-Projekt, das zuletzt ohnedies für Negativmeldungen gesorgt hat: Zwei Betreiber sind bereits abgesprungen, Medien orteten ein Millionengrab, nachdem letztlich doch die Stadt Wien den Löwenanteil der mehr als 20 Millionen Euro schweren Investition tragen musste.
"Panoramahaus" für 560 Gäste
Völlig unberücksichtigt blieb bisher aber das Genehmigungsverfahren, wiewohl das Projekt gar nicht in den Flächenwidmungs- und Bebauungsplan passte: Der dreigeschoßige Neubau des Eventgebäudes („Panoramahaus“) reicht mindestens um das Doppelte über die Baufluchtlinien hinaus – mit fast 500 m2 Nutzfläche, 1000 m2 Terrasse und ausgelegt für 560 Gäste gewiss keine Petitesse. Auch das beim Cobenzl-Parkplatz situierte Café Rondell wurde deutlich vergrößert (siehe Grafik). Doch wie ist es möglich, dass einfach so im Wald- und Wiesengürtel derart ausgebaut werden darf? Das Rathaus bediente sich eines Kunstgriffs, indem die Gebäude nach Paragraf 71 befristet genehmigt wurden. Eigentlich sollten darunter aber nur „Bauwerke, die vorübergehenden Zwecken dienen oder nicht dauernd bestehen bleiben können“ fallen.

Das neue Ensemble am Wiener Cobenzl: Panoramahaus und Café Rondell sprengten die Grenzen der gültigen Widmung
Jener Paragraf sorgte schon einmal für Misstöne, als im Prater eine Sport-&-Fun-Halle im Grünland errichtet wurde. Die umstrittene Praxis blieb dem Rechnungshof (RH) nicht verborgen, der die Stadt 2023 scharf zurechtwies: Insbesondere stadteigene Projekte wären nur auf Basis gültiger Flächenwidmungspläne zu bewilligen, da klar sei, dass es um auf Dauer ausgelegte Gebäude gehe. Am Cobenzl war die Stadt – durch das Forstamt MA 49 – Bauherr.
Dass vorher den Bürgern das Recht auf Partizipation genommen werde, sie jetzt aber ihre Meinung zum fertigen Projekt abgeben sollen, sei „absurd“, findet Markus Landerer von der „Initiative Denkmalschutz“. „Das ausgerechnet im Jahr der Demokratiehauptstadt Wien.“
Zeitersparnis ohne Widmungsverfahren
Gerhard Cech, Leiter der Baupolizei, bestätigt den Sachverhalt. Aber: Die Bewilligung habe vor der RH-Kritik stattgefunden, „aufgrund dieser Empfehlung würde das jetzt so auch nicht mehr gehandhabt werden, aber im Jahr 2019 war das eine übliche Vorgangsweise“. Begründet wird die genommene Abkürzung mit dem Faktor Zeit, wie auch ein Stadtplanungssprecher betont: Ziel sei gewesen, „das Areal möglichst rasch wieder der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen“. Der neue Widmungsplan (Nr. 8.424) soll vor der Wahl im Gemeinderat beschlossen werden.
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