Causa Aliyev: Tatort "am Ende der Welt"

2009 demonstrierten die Witwen der ermordeten Bankmanager vor dem Parlament in Wien für eine strafrechtliche Verfolgung von Aliyev
Dienstag beginnt Mordprozess, Anwalt organisiert Anreise von 60 kasachischen Zeugen.

Der Tatort: Almaty, Kasachstan, 4615 Kilometer Luftlinie von Wien entfernt, "am Ende der Welt, dort muss man erst einmal hinfinden" (Anwalt Richard Soyer, verlängerter Arm des kasachischen Generalstaatsanwalts).

Die Tatzeit: 9. 2. 2007, acht Jahre zurück liegend.

Die Opfer: Zholdas Timraliyev und Aybar Khasenov, zwei Familienväter und Manager der kasachischen Nurbank, deren Leichen vier Jahre später in mit gelöschtem Kalk gefüllten Metallfässern gefunden wurden.

Causa Aliyev: Tatort "am Ende der Welt"
Aliyev starb am 24. Februar in seiner Zelle.
Die Tat (laut Anklage): Entführt, gefangen gehalten, gequält (auch durch sexuelle Misshandlungen), erniedrigt (Glatzen geschoren), zum Rücktritt als Bankvorstände sowie zur Übertragung von Aktienpaketen genötigt und schließlich mit einem Plastiksack über dem Kopf erdrosselt.

Die Zeugen: 60 Personen, die großteils aus Kasachstan eingeflogen werden oder per Videokonferenz vernommen werden müssen, weil sie dort in Haft sitzen.

Die Angeklagten: Der mutmaßliche Mastermind des teuflischen Entführungs- und Mordplans, der kasachische Ex-Botschafter und einstige Eigentümer der Nurbank, Rakhat Aliyev, wurde am 24. Februar 2015 erhängt in seiner Zelle gefunden; Ex-Geheimdienstchef Alnur Mussayev und Ex-Präsidentenwächter Vadim Koshlyak werden aus der U-Haft vorgeführt.

16 Laienrichter

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Alnur Mussayev
Acht Wiener Geschworene (und acht Ersatzleute) müssen ab Dienstag in diesem Mordprozess mit Seltenheitswert unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen den Überblick behalten und voraussichtlich am 19. Juni zu einem Urteil finden.

Der Prozess findet in Österreich statt, weil die Angeklagten nach Einschätzung der heimischen Justiz in ihrer Heimat kein faires Verfahren zu erwarten hätten und daher nicht ausgeliefert wurden. Der Anwalt Richard Soyer tritt als Vermittler zwischen kasachischer und österreichischer Justiz auf, zwischen denen es kein Rechtshilfeabkommen und auch sonst wenig Korrespondenz gibt. Die kasachischen Staatsanwälte seien beinahe beleidigt, weil man ihnen kein rechtsstaatliches Verfahren zutraut, berichtet Soyer.

"Die Qualität des Prozesses hängt von den Zeugen ab", sagt der Anwalt: Seine Kanzlei managt die Übersetzung der Ladungen, die Visa, die Flüge, die Unterbringung, die Erstattung der Kosten für die Zeugen. Ihnen stehen bei privater Unterkunft 12,40 Euro pro Nacht oder maximal 74,40 Euro bei Vorlage einer Hotelrechnung zu. Mittag- und Abendessen werden gegen Rechnungen mit jeweils 25,50 Euro ersetzt.

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Soyer rechnet damit, dass zumindest mehr als die Hälfte der 60 geladenen Zeugen im Grauen Haus in Wien erscheinen wird. Zwei sitzen in Kasachstan ihre Haftstrafen ab, zu denen sie als Beteiligte an der Entführung und Erpressung der späteren mutmaßlichen Mordopfer Timraliyev und Khasenov verurteilt wurden, und bekommen keine Ausreiseerlaubnis. Die Kasachen befürchten, dass sie in Österreich um Asyl ansuchen und dann nicht ausgeliefert werden könnten (wie seinerzeit Rakhat Aliyev).

Zehn Verurteilte

Insgesamt haben in Kasachstan in Zusammenhang mit dem Prozessthema zehn Personen Freiheitsstrafen zwischen fünf und 20 Jahren erhalten, einige wurden bereits bedingt entlassen, einige sind außer Landes.

Richard Soyer hat sich den Tatort in Almaty angeschaut: "Gruselig", so hat er es empfunden. Im Namen der kasachischen Regierung hat Soyer bei der Wiener Staatsanwältin und beim vorsitzenden Richter Andreas Böhm angeregt, ebenfalls einen Lokalaugenschein zu machen. Das wurde abgelehnt.

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