Eisenstangenmord hätte vermieden werden können

Am Brunnenmarkt wurde Maria E. mit einer Eisenstange attackiert und getötet.
Ein beauftragter Sachverständiger kommt in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass der Amtsbekannte 21-jährige Kenianer an einer schweren paranoiden Schizophrenie leide. Er hatte zuvor zwei andere Frauen ebenfalls mit einer Eisenstange attackiert.

Am Montag wird im Landesgericht für Strafsachen gegen den Mann verhandelt, der am 4. Mai 2016 am Wiener Brunnenmarkt eine 54-Jährige am Weg zur Arbeit mit einer elfeineinhalb Kilogramm schweren Eisenstange erschlagen haben soll. Ein im Ermittlungsverfahren eingeholtes psychiatrisches Gutachten zeigt auf, dass die Bluttat möglicherweise zu verhindern gewesen wäre.

Paranoide Schizophrenie

Das der APA vorliegende psychiatrische Gutachten erhärtet die Verdachtslage, dass es zu der Bluttat nicht kommen hätte müssen, wäre auf den offensichtlich psychisch Kranken seitens der Behörden konsequent reagiert und dieser rechtzeitig aus dem Verkehr gezogen worden. Für den psychiatrischen Sachverständiger Karl Dantendorfer, der den 21-Jährigen im Auftrag der Justiz mehrfach untersuchte, ist aus medizinischer Sicht "als gesichert anzusehen", dass der 21-Jährige schon seit mehreren Jahren an einer schweren paranoiden Schizophrenie leidet, die nie behandelt wurde. Bevor er mit der Eisenstange auf die Reinigungskraft Maria E. losging und diese - wie im Unterbringungsantrag ausgeführt wird - mit zumindest acht Schlägen auf Kopf und Oberkörper zu Tode brachte, hatte er zwei andere Frauen auf dieselbe, wenn auch zum Glück für die Opfer nicht lebensbedrohliche Art und Weise attackiert.

Antrag auf Einweisung in Anstalt

Datendorfer kommt in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass der Kenianer sich im Tatzeitpunkt "in einem medizinisch unbehandelten, akut psychotischen Zustand mit Aufhebung der Realitätskontrolle sowie Aufhebung der Selbststeuerungsfähigkeit" befunden hat. Damit ist bei dem Mann nach Ansicht Dantendorfers keine Schuldfähigkeit gegeben, der 21-Jährige konnte aufgrund seiner Zurechnungsunfähigkeit nicht wegen Mordes zur Anklage gebracht werden. Weil Dantendorfer ihn als hochgradig gefährlich betrachtet und der 21-Jährige weiter keine Krankheitseinsicht zeigt, soll dieser stattdessen - zeitlich unbefristet - im Maßnahmenvollzug behandelt werden. Ein hat nun den entsprechenden Antrag auf Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher zu behandeln.

Dessen ungeachtet und obwohl der 21-Jährige am Brunnenmarkt, wo er sich als Obdachloser herumtrieb, seit längerem als Unruhestifter bekannt war, befand sich der 21-Jährige auf freiem Fuß, nachdem er 2013 vom Landesgericht erstmals zu einer teilbedingten Haftstrafe verurteilt worden war, wovon er zwei Monate absitzen musste. Laut Polizei wurde der Kenianer in weiterer Folge über ein Dutzend Mal angezeigt. Er kam Ladungen allerdings nicht mehr nach, ein wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und kleinerer Diebstähle gegen ihn anhängiges Gerichtsverfahren konnte somit nicht weiter betrieben werden. Aus Sicht der Justiz war der Mann mangels einer Meldeadresse nicht greifbar und wurde zur Fahndung ausgeschrieben. Dass er keineswegs untergetaucht war, sondern am Brunnenmarkt regelmäßig als Störenfried in Erscheinung trat, sprach sich offenbar nicht bis zur Justiz durch.

Eisenstangenmord hätte vermieden werden können

WIEN: FRAU IN WIEN-OTTAKRING MIT EISENSTANGE GETÖT
Eisenstangenmord hätte vermieden werden können

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Angehörige fordern eine Entschädigung

Derweil haben sich die Hinterbliebenen dem Strafverfahren als Privatbeteiligte angeschlossen und zur Kenntnis genommen, dass der 21-jährige Kenianer dem psychiatrischen Gutachten zufolge im Tatzeitpunkt zurechnungsunfähig gewesen sein soll. Aus ihrer Sicht hätte er sich da aber längst in Gewahrsam befinden beziehungsweise aufgrund seiner psychischen Erkrankung zwangsweise angehalten werden müssen. "Wäre er zu einem Amtsarzt oder einem Sachverständigen gebracht worden, hätte das jeder Experte innerhalb von zwei Minuten erkannt, dass der Mann eine Bedrohung für seine Umwelt darstellt", sagte Burger. Das wäre "aus Bequemlichkeit" unterblieben.

Für diese behördlichen Unterlassungen, die Maria E. aus Sicht ihrer Familie mit dem Leben bezahlt hat, verlangen ihre Angehörigen eine Wiedergutmachung. "Wir erwarten uns, dass die Republik eine Entschädigung bezahlt für die Versäumnisse", stellte Burger fest. Weiters ist es den Hinterbliebenen ein Anliegen, "dass in Zukunft garantiert ist, dass Behörden auf verhaltensauffällige Gewalttäter rascher reagieren", betonte deren Rechtsvertreter.

"Was die geforderte Entschädigung betrifft, sind Gespräche mit den Hinterbliebenen im Gange. Wenn man solche Gespräche führt, dann warten wir nicht den Ausgang eines Strafverfahrens ab", teilte der Präsident der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn, am Freitag auf APA-Anfrage mit. Über Inhalt der Verhandlungen und Höhe der von der Opferseite geltend gemachten Forderungen wollte Peschorn keine Angaben machen.

Es ist keine Seltenheit, dass über schwerwiegende Delikte gegen Leib und Leben in Form von Unterbringungsanträgen verhandelt wird, weil die Täter aufgrund einer hochgradigen geistig-seelischen Abnormität zurechnungsunfähig und damit nicht schuldfähig sind. Das geht aus aktuellen Zahlen des Justizministeriums hervor.

91 Fälle bisher dieses Jahr

Demnach wurde im heurigen Jahr (Stichtag: 1. November) 91 Mal über schwere Gewalt in Form eines staatsanwaltschaftlichen Antrags auf Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher verhandelt. Davon wurden 26 Anträge gemäß Paragraf 21 Absatz 1 Strafgesetzbuch (StGB) bei den Gerichten eingebracht, die bei Zurechnungsfähigkeit der Täter als vollendeter oder versuchter Mord zu behandeln gewesen wären. 41 sogenannte Anlasstaten wären bei Schuldfähigkeit der Täter als schwere Körperverletzung angeklagt worden, 24 Prozesse hätte es wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung gegeben.

Eisenstangenmord hätte vermieden werden können

Die Anzahl der von psychisch Kranken begangenen Kapitalverbrechen hat sich in jüngster Vergangenheit nicht verändert. 2015 gab es 30 Fälle von versuchtem oder vollendetem Mord, die mangels Zurechnungsfähigkeit der Täter einen Unterbringungsantrag zur Folge hatten. 37 schwere Körperverletzungen und 24 absichtliche schwere Körperverletzungen erwiesen sich im Vorjahr als Fälle für den Maßnahmenvollzug.

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