Bizarrer Streit um Rüsselkäfer, die von der Decke fallen

Bizarrer Streit um Rüsselkäfer, die von der Decke fallen
Wiener Familie lebt seit Jahren mit Ungeziefer, der Vermieter verweigert die Sanierung.

Rhyncolus culinaris. Mit kulinarischer Köstlichkeit hat das gar nichts zu tun. Schon gar nicht in den eigenen vier Wänden. Bei einer Wiener Familie fallen die Grubenholzkäfer scharenweise von der Decke. Dahinter verbergen sich feuchte – mit Schimmel und Braunfäulepilz befallene – Holzträger.

Die Ärztin Dr. Antonia Lengyel ist gemeinsam mit ihren Eltern Mieterin von zwei zusammengelegten Wohnungen in einem Biedermeierhaus in Wien-Neubau. Sie hat viel investiert. Seit vier Jahren kämpft sie mit dem Hauseigentümer und Vermieter um die Sanierung eines Wasserschadens, der in der darüber liegenden Wohnung seinen Ausgang genommen hatte. Das war im Frühjahr 2010, und der Hausherr stellte sich zunächst taub.

Im Sommer 2011 ruft Antonia Lengyel den Mieterschutz zu Hilfe. Im Juli 2012 wird der Verputz abgeschlagen und gleich wieder neu aufgetragen. Der Hausherr weist den Maler an, "einfach nur drüberzumalen", es schaue schlimmer aus, als es sei. Dann wird erneut aufgerissen, zugespachtelt, sechs Mal. Inzwischen ist ein neuer Wasserschaden aufgetreten, er kommt von desolaten Dachrinnen.

Schimmel an Wänden

Bizarrer Streit um Rüsselkäfer, die von der Decke fallen
Seit Anfang 2013 rieselt im Badezimmer und im WC Schutt von der Decke, und es regnet Rüsselkäfer. Die finden im feuchten Holzgebälk, das die Decke stützen sollte, ideale Lebensbedingungen vor. Frau Lengyel verständigt das Gesundheitsamt und wird gefragt, ob sie schwanger sei oder Kinder habe. Nein? Dann ist man nicht zuständig. Inzwischen bildet sich Schimmel an den Wänden.

Der Hausherr schickt den Kammerjäger. Die Firma ist auf Ratten und Mäuse spezialisiert und lässt ein Mittel auf die Decke sprühen, das nicht im Inneren verwendet werden sollte. Der Erfolg bleibt aus. Badezimmer und WC sind unbenützbar, auch deshalb, weil der Hausherr Dusche und Boiler herausreißen lässt. Frau Lengyel könne ja in der Wohnung der Eltern duschen, meint er.

Bizarrer Streit um Rüsselkäfer, die von der Decke fallen
borkenkäfer
Im März 2013 trägt die Schlichtungsstelle dem Vermieter eine nachhaltige Sanierung auf. Mehrere Magistratsabteilungen, Sachverständige und die Baupolizei haben den Schaden begutachtet und festgestellt, dass die Holzträger 30 cm über die feuchten Stellen hinaus zu entfernen sind. Der Hausherr bekämpft den Spruch der Schlichtungsstelle bei Gericht. "Das kann ein langer Rechtsstreit werden", prophezeit die Richterin. Im Mai 2014 fasst sie den Beschluss, dass der Vermieter Ungezieferbelastung sowie Braunfäule zu beseitigen und alle anderen Schritte zur Sanierung zu setzen hat. Der Hausherr kommt der Aufforderung wegen hoher Kosten nicht nach.
Bizarrer Streit um Rüsselkäfer, die von der Decke fallen
Der Anwalt der Familie Lengyel, Gerhard Deinhofer, stellt daraufhin einen Antrag auf Zwangsverwaltung des Hauses. Der Hausherr soll so lange keine Mieteinnahmen mehr bekommen, bis die Sanierung erledigt ist. Nun artet der Rechtsstreit mit dem Vermieter vollkommen aus. Er bezweifelt, dass überhaupt Käfer "aus der sanierten Decke gekommen sein sollen". Sein Anwalt schreibt Deinhofer: "Da diese Decke unzweifelhaft im Eigentum meines Mandanten steht, stehen selbstverständlich auch die Käfer im Eigentum meines Mandanten. Da die Käfer einer Untersuchung unterzogen werden müssen, nämlich woher diese stammen und wie alt diese sind, schlage ich vor, zwecks Vermeidung eines Gerichtsstreits über das Eigentumsrecht der Käfer, dass die Hälfte der aufgefundenen Käfer an meine Mandantschaft ausgefolgt werden, der Rest kann selbstverständlich bei Ihrer Mandantschaft für allfällige weitere Beweiszwecke verbleiben."

Nach der Übergabe von fünf Käfern beschwert sich der Hausherr, dass diese allesamt bereits tot seien. "Na soll ich sie vielleicht auch noch füttern", sagt Antonia Lengyel.

Tiefer geht’s nicht? Oh doch. In einer Eingabe behauptet der Hausherr, der Käferbefall stehe in keinem Zusammenhang mit dem Wasserschaden. Vielmehr sei "das Mietobjekt verwahrlost." Die Mieter, "darunter sogar eine Ärztin!!!", würden "offenbar keine mitteleuropäischen Hygienemaßnahmen an den Tag" legen. Dieses Schriftstück wird im Stiegenhaus ausgehängt.

Inzwischen neigt sich der Fußboden bei den Lengyels. In dem Haus dürften noch mehrere Katastrophen lauern.

Kommentare