Austro-Taliban organisierten Reisen in Terrorcamps

Austro-Taliban organisierten Reisen in Terrorcamps
Die Anklage gegen sechs Mitglieder einer Terror-Gruppe ist fertig. Sie wollten von Wien aus in den Heiligen Krieg ziehen.

Der islamistische Terror hat viele Gesichter. Ein Wiener Schöffensenat muss entscheiden, ob auch das Milchgesicht von Thomas A.-J., 26, und jene seiner fünf radikalen Glaubensbrüder dazu gehören.

Die Staatsanwaltschaft Wien hat gegen den Jihadisten aus Rudolfsheim-Fünfhaus und gegen seine frommen Mitstreiter Anklage erhoben. Der Hauptvorwurf der nicht rechtskräftigen Anklage: Mitgliedschaft in terroristischen Vereinigungen.

Thomas A.-J., alias „Ismail“, ist laut Staatsanwaltschaft der Kopf einer Gruppe radikaler Moslems, die von einem Wiener Mietshaus aus Terrororganisationen sponserten, ihre Ideologie verbreiteten oder in den Heiligen Krieg ziehen wollten.

Vier von ihnen sollen quasi ein Reisebüro für potenzielle Terroristen betrieben haben. Von dem Flugzeuganschlag auf den Deutschen Reichstag, wie dies Medien berichteten, ist keine Rede mehr.

Musterbeispiel

Der Sohn eines Syrers und einer Österreicherin konvertierte mit 15 zum Islam. Er ist vermutlich ein Musterbeispiel dafür, wie ein gut integrierter Jugendlicher unbemerkt zum Fanatiker mutiert. Die Eltern ließen sich scheiden. Er wusste nach einer Syrien-Reise nicht mehr, wo sein Platz ist, seine Freundin verließ ihn. Bald ließ er sich einen Vollbart wachsen, geriet in einer Wiener Moschee in den Sog radikalen Gedankenguts und wurde zu einem Fan Osama bin Ladens.

Beamten des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) fiel „Ismail“ erstmals auf, als sie gegen Mohamed M. ermittelten. Jenen jungen Moslem, der wegen seiner Drohvideos verurteilt wurde.

Er würde „niemals in den Jihad ziehen“ , erzählte der 26-jährige A.-J. im Jahr 2007 den BVT-Beamten.

Daran soll er sich nicht gehalten haben.

Der zweifache Vater soll Trips in Terrorcamps organisiert haben. Ende 2009 versuchte er mit sieben Getreuen, seiner Frau und seiner Schwester nach Somalia zu reisen. Ihr Ziel: ein Unterschlupf der radikal-islamischen Al-Shabaab-Miliz.

Endstation

Nur einer schaffte es nach Somalia. Für die restliche Gruppe war in Äthiopien Endstation. Ein zweiter Versuch, nach Somalia vorzudringen, scheiterte. Der Staatsanwalt ist fest davon überzeugt, dass die Reisenden das militärische Handwerk erlernen und in den Kampf ziehen wollten. „Ismail“ bestreitet das. Sie hätten lediglich „unter den Al-Shabaab-Milizen unter der Scharia leben wollen“ . Sein Anwalt Lennart Binder ergänzt: „Das ist nicht verboten.“ Die Fehlschläge brachten ihn nicht von seinem Weg ab. Er übersetzte Kampfschriften, veröffentlichte sie auf seiner Homepage. Das gibt er zu.

Geldflüsse

Anfang 2011 registrierten Verfassungsschützer auffällige Zahlungen. Bereits vor drei Jahren kaufte der Wiener zwei Laptops und eine Kamera – laut Anklage für einen Freund in Pakistan. Der vermeintliche Empfänger, Kerim Ben Arfa, war im zarten Alter von 16 mit Maqsood L., damals 20, von Wien dorthin ausgewandert, um sich an Waffen schulen zu lassen. Im Abschiedsbrief an seine Mutter schrieb Maqsood L., der nun in Berlin angeklagt ist: Sein Ziel sei der „Paradiesgarten“.

Nicht nur Sachleistungen kamen aus der alten Heimat. „Ismail“ überwies an Kerim Ben Arfa, der laut BVT im Sold der Islamischen Bewegung Usbekistan stand, in zwei Tranchen rund 4000 Euro. Das Geld sammelte er bei Bekannten oder in Moscheen.

Für die Anklage ist der 26-Jährige damit ein Terror-Financier. Der Beschuldigte will hingegen seinem Freund, der eine Koranschule besuche, geholfen haben. „Unser Wissensstand ist, dass der Bekannte eine Koranschule besucht“, erklärt Anwalt Binder. Er wolle aber nichts ausschließen.

Nach Karim Ben Arfa wird gefahndet. Glaubt man einem Video auf YouTube unter dem Titel „Gedanken des Mujahedins“, so fiel der Wiener im bewaffneten Kampf. Er war 18 Jahre alt.

Auch die Mitangeklagten sollen unterstützt haben. Einer steckte Yusuf O. Geld zu, zwei andere vermittelten ihn zu Freunden. O. ist in Berlin angeklagt. A.-J. soll noch einen „Camp-Besuch“ arrangiert haben. Am 15. Juni des Vorjahres wurden die Reisenden abgefangen, zeitgleich „Ismail“ verhaftet. Lediglich er wurde in U-Haft genommen. Die anderen Angeklagten gelten als Mitläufer.

Läuterung?

Der Staatsanwalt fasst die radikalen Umtriebe unter dem „Verdacht der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ zusammen. Hintergrund: Es kämen auch der Paragraf „Terror-Finanzierung“ und in einem Fall das seit 1. Jänner 2011 geltende Verbot für „Ausbildung für terroristische Zwecke“ in Betracht. „Ismail“ soll in der U-Haft geläutert sein. Der Bart ist ab, Jihad ein Fremdwort. Er sei „unradikal“, sagt Binder. Den Angeklagten drohen bis zu zehn Jahre Haft. Ein Prozesstermin steht noch aus.

Wiener in Berlin vor Gericht

Am Mittwoch beginnt in Berlin ein aufsehenerregender Terror-Prozess mit Österreich-Bezug. Der Deutsche Yusuf O. (26), ein Mitglied der „Deutschen Taliban Mujahedin“, muss sich mit Maqsood L. (22), einem Österreicher, vor Gericht verantworten. Beide lernten einander in Pakistan kennen und sollen zuletzt für El Kaida tätig gewesen sein. Yusuf O. soll in Wien für die Organisation Spenden gesammelt und Drohvideos fabriziert haben. L. war laut deutscher Staatsanwaltschaft im selben Auftrag im Nachbarland unterwegs. Bei ihnen wurde einschlägiges Datenmaterial gefunden: etwa Pläne zum Bau von Bomben.

 

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