Aufstand in der Josefstadt um Neugestaltung der Zweierlinie

Seit zwei Jahren ist die Zweierlinie auf zwei Spuren reduziert. Befürchtete Staus sind ausgeblieben
Der Bezirk kritisiert, in die Gestaltung der Zweierlinie nach dem U-Bahnbau nicht eingebunden zu werden.

In der Landesgerichtsstraße (vulgo: Zweierlinie) befindet sich seit Jahresbeginn 2021 eine der größten Baustellen der Stadt: Hier entsteht das künftige U2/U5-Linienkreuz Rathaus. Zwar werden die Arbeiten noch einige Jahre andauern, doch bereits jetzt ist eine Debatte um die künftige Oberflächengestaltung ausgebrochen.

Diese legt zugleich den Blick auf tiefer liegende Fragen frei: Wie transparent agiert die Stadt, wenn es um die Umgestaltung von Verkehrsflächen geht? Und wer darf dabei mitreden?

Grüner Vorstoß

Ausgelöst haben die Debatte die Grünen. Ende Jänner präsentierte der frühere Koalitionspartner der SPÖ eine Studie, die zeigt, wie man sich die künftige Gestaltung der zentralen Verkehrsader vorstellt. Nämlich mit großzügigen Flächen für zu Fuß gehen und Radfahren, viel Grün und dafür nur mehr einer Kfz-Spur pro Richtung (der KURIER berichtete).

Die SPÖ reagierte umgehend und ließ ausrichten, es sei viel zu früh, über „ungelegte Eier“ zu sprechen, würden die Wiener Linien die Flächen doch erst 2027 wieder übergeben. Die Detailplanungen würden dann „zeitgerecht“ stattfinden, so Erich Valentin, Vorsitzender der Mobilitätskommission im Gemeinderat.

Und erst vergangenen Mittwoch legte seine Klubkollegin Luise Dräger-Gregori nach: „Tatsache ist: Es gibt noch keine detaillierten Pläne für die Neugestaltung der Zweierlinie.“

Präsentationen in Bezirken

Wie dem KURIER vorliegende Unterlagen zeigen, wird jedoch seit 2020 konstant und durchaus detailliert an entsprechenden Plänen gearbeitet (siehe Faksimile unten). Sonderlich diskret ging die bei SPÖ-Mobilitätsstadträtin Ulli Sima ressortierende MA 28 (Straßenbau) dabei nicht vor: In zumindest zwei Bezirksvertretungen (Innere Stadt und Josefstadt) wurde der Stand der Planungen 2022 präsentiert.

Besonders brisant wird die Angelegenheit jedoch durch das Wie.

Aufstand in der Josefstadt um Neugestaltung der Zweierlinie

Das Planungsdokument der MA 28 wurde im August 2020 eröffnet und laufend überarbeitet

Im 8. Bezirk wurde den Mandatarinnen und Mandataren am 13. Oktober nämlich erklärt, an der (im Vergleich zu vor den Bauarbeiten nur leicht veränderten) Aufteilung der Verkehrsflächen sei nicht mehr zu rütteln, diese sei fix.

Bezirksvertretung nicht amüsiert

Wie Anwesende unterschiedlicher Fraktionen dem KURIER berichten, sorgte das durchaus für Aufruhr, fühlt man sich im Bezirk doch vom Rathaus überfahren. Selbst ein SPÖ-Bezirksrat soll gefragt haben, wie das sein könne, und habe als Antwort erhalten, das sei so vorgegeben.

Ein „bisschen wunderlich“ findet es der grüne Vorsitzende der Mobilitätskommission, Bernd Kantoks, darum, dass die SPÖ behauptet, es gebe noch keine Pläne.

Aufstand in der Josefstadt um Neugestaltung der Zweierlinie

Laut diesem Plan wären beim Rathaus nach der Baustelle bis zu fünf Fahrspuren geplant

Als Resultat brachten Grüne, ÖVP, Neos, Links und Bürgerliste Josefstadt einen gemeinsamen Antrag in der Bezirksvertretung ein, in dem Sima dazu aufgefordert wird, die Forderungen des Bezirkes zu berücksichtigen. Verabschiedet wurde der Antrag am 7. Dezember einstimmig – also auch mit den Stimmen der SPÖ.

Alte Pläne?

Im Büro Simas und im roten Rathausklub wird unterdessen betont, bei dem auch dem KURIER vorliegenden Dokument handle es sich um grüne Pläne aus der Zeit vor der Ressortübernahme Simas nach der Wien-Wahl 2020. Es sei „alles offen“ und man habe nicht vor, gegen den Willen des Bezirkes zu planen, sagt ein Sima-Sprecher.

Warum eine Vertreterin der MA 28 die Pläne dann als fix präsentierte, kann er sich nicht erklären. Entweder habe ihr ein alter Planungsstand vorgelegen oder es habe sich um einen „ersten Aufschlag“ gehandelt.

Mangelnde Transparenz

Abschließend beurteilen lässt sich die Causa nicht – und legt dadurch ein grundlegendes Problem offen: Dass über Fragen der Stadtplanung viel zu selten ein umfassender Diskurs geführt wird. „Diese Verfahren sind leider eine Blackbox für Außenstehende“, sagt auch der Verkehrswissenschaftler Ulrich Leth von der TU Wien. Selbst Fachleute und Interessenverbände bekämen keine Einsicht und würden am Ende vor vollendete Tatsachen gestellt.

„Irgendwann stößt man an eine Grenze, bis zu der man mitreden kann“, kritisiert auch der grüne Mobilitätssprecher Kilian Stark. Dass die kursierenden Pläne, wie vom Rathaus behauptet, von den Grünen stammen, weist er von sich, man habe sie „bei den Grünen noch nie gesehen“, so Stark. Zudem sei ja im Dokument belegt, dass es laufend bearbeitet wurde.

In der Josefstadt wird man die Sache jedenfalls unter keinen Umständen auf sich beruhen lassen. „Wir können uns nicht damit abfinden, uns einfach etwas vor den Latz knallen zu lassen“, sagt ÖVP-Klubobmann Florian Mauthe.

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