Wiens erste Disco zu verkaufen: Wer möchte ein Stück Stadtgeschichte?

Hier waren bereits viele Prominente zu Gast: Peter Alexander, Elfriede Jelinek, Peter Rapp, Ernst Fuchs und sogar New Kids on the block. Doch die glorreichen Zeiten des Lokals sind vorbei. Nach mehreren Besitzerwechseln steht der Komplex aktuell zum Verkauf - für knapp zwei Millionen Euro.
Das mittlerweile 850 Quadratmeter große Areal am Schwarzenbergplatz wurde 1961 als Bierlokal eröffnet, das "Atrium" war in einer ehemaligen k.u.k-Hofstallung eingerichtet, das nach dem Zweiten Weltkrieg als US-Jazz-Bar gedient hatte. Erst in Zeitungsberichten tauchte nach und nach der Begriff Diskothek auf.
Zu Gast waren zunächst die Hippies, dann die 70er-Discobewegung, die Mods, die Grufties, die Metal-Freaks, die Rockerbillys, aber auch Skinheads bildeten das Stammpublikum der ersten 40 Jahre. Mitunter saß sogar die Staatspolizei im Haus gegenüber und fotografierte die Besucher beim Eingang.
Papas Tappas, Wurlitzer und die Zugabe
Eher weniger Interesse zeigte die Polizei an der "Außenstelle" des Lokals hinter dem gegenüber liegenden Russendenkmal, wo heftig geknutscht wurde (oder auch mehr). Zu spät kam sie leider, als Mitte der 90er-Jahre ein Messerstich beim Eingang zum Atrium tödlich endete. Legendär waren auch die Happy hours am Donnerstag und Sonntag, wo sich die Besucher eher wie in einer Massenpanik zum Eingang drückten, um zwei Getränke zum Preis von einem zu ergattern.
Auch sonst hatte der Club eine wechselvolle Geschichte. In den 80ern wurde das In-Lokal "Papas Tapas" eröffnet, später kam das "Wurlitzer" dazu und 1992 entstand der Konzertsaal "Zugabe" im eigens überdachten Innenhof. Auch ein eigenes Fußball-Team und eine berüchtigte "Atrium-Partie", die in Wien gefürchtet war, gab es. Man gab sich Spitznamen wie "Hooligan-Michi" oder "Wildsau".

Atrium
2002 beging jener Sohn des legendären Besitzers Suizid, der die Kassa betreute und das Lokal wohl später übernommen hätte. Helmut "Papa" Fink hatte daraufhin genug vom Trubel, auch die Gäste blieben immer häufiger fern. Es war Zeit für einen Verkauf.
Danach gaben sich die Besitzer die Türklinke in die Hand. Der "Ost-Club", der "Clubatrium" oder das "Schwarzberg" waren hier zu finden, zuletzt der Club "M1", der laut Internetbewertungen ziemlich polarisierte. Das einst schäbige Inventar und die rote Wandfarbe sind längst verschwunden, das heute Interieur ist ziemlich neuwertig.

Helmut Fink (rechts)
Angeboten wird ein "Vielseitiges Souterrain im Wohnungseigentum" aktuell um 1,95 Millionen Euro, wovon 300.000 Euro auf das Inventar entfallen. "Diese großzügige und vielseitig nutzbare Gewerbefläche im Wohnungseigentum ist mit einer Fläche von rund 850 m² ideal geeignet für Gastronomie, Tanz-/Bar- und Clubbetrieb sowie Eventnutzung. Dank bestehender Bewilligungen bietet die Immobilie hervorragende Voraussetzungen für eine flexible und vielfältige Nutzung", heißt es darin.
Und weiter: "Die Fläche besticht durch eine clevere Aufteilung in ein klassisches Gastronomielokal und einen eigenständigen Tanz-/Bar- bzw. Clubbereich. Das Objekt verfügt über eine großzügige Tanzfläche, mehrere Schankbereiche, zahlreiche Sitzgelegenheiten und Gasträume, die unterschiedlich genutzt und gestaltet werden können.
Ob sich ein Käufer findet, der tatsächlich wieder eine Diskothek oder Bar eröffnet, ist allerdings fraglich. Die heutige Jugend ist kaum mehr motiviert zum nächtlichen Feiern in Lokalen. Die Liste der Insolvenzen in diesem Bereich ist lang. "Bettel-Alm" oder "Club Couture" sind nur zwei prominente Namen, auch in Graz und Linz schlossen zuletzt mehrere bekannte Tanztempel. Vielleicht wird auch eine alte Idee wieder aufgewärmt - 2003 gab es die Idee, aus dem Atrium eine Weinbar zu machen.
Klarheit: Die wichtigsten Begriffe
Die Wieden gehört mit 1,8 km² und 33.155 Einwohnern zu den kleineren Wiener Gemeindebezirken - im Wien-Schnitt gehört er dafür zu den dichter besiedelten. Der Bezirk ist bekannt für die Technische Universität und seine lebendige Lokal- und Kulturszene. Johann Strauß Sohn ließ sich hier übrigens - in der heutigen Johann-Strauß-Gasse - ein Palais errichten, das er bis zu seinem Tod bewohnte. Bezirksvorsteherin ist Lea Halbwidl (SPÖ).
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