Anrainerparken: "System hinkt"

Die Stadt will die Anrainerplätze untertags für Betriebe öffnen
Universitätsprofessor Christian Piska untersucht Anrainerparken auf Rechtmäßigkeit.

Seit 2012 die ersten Anrainerparkplätze in Wien geschaffen wurden, stockt die Stadt ihre Zahl kontinuierlich auf. 3978 gibt es mittlerweile, 200 weitere könnten in Mariahilf entstehen. Der Bezirk hat das Einverständnis der Stadt bekommen, an mehreren neuralgischen Stellen bis zu 20 Prozent der Stellplätze für Anrainer zu reservieren.

Doch ist das Konstrukt der Anwohnerparkplätze verfassungskonform? Universitätsprofessor Christian Piska vom Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien soll das jetzt überprüfen.

Der ÖAMTC hat die Studie in Auftrag gegeben. Der Automobilclub legte vergangenen Herbst Beschwerde gegen das bestehende Anrainerparksystem beim Verfassungsgerichtshof ein. Martin Hoffer, Chefjurist des ÖAMTC erläutert: "Es geht uns nicht darum, das System zu bekämpfen, wir wollen nur gute und korrekte Lösungswege ermitteln."

Nicht in der StVO

Dass man "Parkplätze für Anrainer nicht einfach so reservieren" kann, sei natürlich klar. Welche Kriterien konkret notwendig sind, damit ein Anrainerparkplatz auch rechtmäßig ist, ergründet Piska derzeit. Komplex sei das Thema deshalb, weil in der Straßenverkehrsordnung (StVO) Anwohnerparkplätze gar nicht erwähnt werden.

Das Gutachten wird in den kommenden Wochen fertig sein. Ein paar Punkte hat Piska dem KURIER vorab verraten. Denn eines steht für ihn zum derzeitigen Punkt der Arbeit bereits fest: "Das Anrainerparksystem, so wie es derzeit abgewickelt wird, hinkt."

Anrainerparken: "System hinkt"
Christian Piska
Denn in Wien existieren Anrainerparkplätze bislang nur in jenen Gebieten, in denen auch eine Kurzparkzone verordnet ist und das Parkpickerl vergeben wird. Durch das Parkpickerl gibt es also bereits eine Erleichterung für Anwohner. Somit stellt sich die Frage, ob ein zusätzliches Entgegenkommen in Form von Anrainerparkplätzen gerechtfertigt ist. Auch gebe aus derzeitiger Sicht keinen rechtlichen Grund dafür, dass Anwohnerparkplätze nur in Kombinationen mit Kurzparkzonen existieren.

Das System könnte auch den unerwünschten Effekt haben, dass es Dauerparken eher begünstigt als verhindert. Da Anwohner, die einen Platz vor der Haustür ergattert haben, fürchten könnten, ihn leichtfertig zu verlieren.

"Hausgemacht"

Ebenso seien die 20 Prozent, die stets als Höchstgrenze für Anrainerparkplätze in einem gewissen Gebiet angeführt werden, lediglich "hausgemacht". Es gibt dafür jedenfalls keine Grundlage in der StVO. "Das hat lediglich die Politik so festgesetzt", sagt Piska.

Dass die Politik mit willkürlicher Parkplatz-Reservierung nicht durchkommt, zeigt auch eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahr 1985. Damals wurde eine Anrainerparkzone in Graz aufgehoben – eben weil nicht genügend Gründe für derartige Parkplätze vorlagen.

Auch die hohen Kosten von Anrainerparkplätzen in Wien müssten nicht sein. Während in Berlin Anrainer lediglich eine Verwaltungsgebühr von 20,40 Euro für zwei Jahre entrichten müssen, zahlen Wiener 120 Euro jährlich.

Seitens der Stadt gibt man sich zurückhaltend. Es gelte das Urteil des Verfassungsgerichtshofs abzuwarten.

Eine zwiespältige Zwischenbilanz zum Anrainerparken ziehen die unmittelbar Betroffenen: „Es ist einerseits dramatisch einfacher geworden, in meiner Nachbarschaft einen Parkplatz zu finden“, sagt Ilse Vigl, Bewohnerin im 7. Bezirk. Gleichzeitig sei es extrem schwer geworden, in einem anderen Bezirk mit derselben Regelung einen Stellplatz zu finden. „Besonders in der Inneren Stadt ist es eine Katastrophe.“ Daher ortet Vigl hinter der Einführung des Anrainerparkens „einen Schnellschuss, dessen Nebenwirkungen nicht ganz bedacht wurden“.

Positiv findet sie, dass jetzt die Bodenmarkierungen für die Stellplätze ausgedehnt werden sollen. „Denn in manchen Abschnitten ist der Abstand zwischen den Hinweisschildern so groß, dass man nicht weiß, dass man sich auf einem Anrainer-Parkplatz befindet.“ Unsinnig findet sie aber, dass mancherorts im Sinne der Gleichberechtigung auch die Aufschrift „Anwohnerinnenparken“ verwendet wird.
Das kann auch der Bezirkschef der Leopoldstadt Karlheinz Hora (SPÖ) nicht nachvollziehen. „Die Buchstaben kosten ja Geld.“ Konkret: 165 Euro pro Schriftzug. Bevor bestehende Anrainerparkzonen nachträglich markiert werden, will Hora die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes abwarten.

Im ersten Bezirk, wo es Wien-weit die meisten Anrainerparkplätze gibt, überlegt man noch, welche Zonen nachträglich markiert werden: „Die Verkehrskommission wird sich damit beschäftigen“, sagt Bezirkschef Markus Figl (ÖVP).

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