Analyse: Von Wiener Autolust und Fahrradfrust

Analyse: Von Wiener Autolust und Fahrradfrust
Fünf Thesen: Die Zahl der Radfahrer in Wien stagniert, obwohl die Stadt Millionen investiert. Woran grüne Mobilität scheitert.

Wien als umweltfreundliche Stadt der Fußgänger, Öffi- und Radfahrer – so hatte es sich die rot-grüne Stadtregierung, allen voran Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou, ausgemalt. Viel wurde in den Ausbau der Rad-Infrastruktur investiert, im Vorjahr waren es 4,6 Millionen Euro. In früheren Jahren zog die Strategie. Der Anteil jener, die vom Auto auf Alternativen umstiegen, wuchs. Jetzt stagniert er: Der Fahrrad-Anteil liegt seit Jahren bei um die sieben Prozent; das ist weit weniger als erhofft. Die Öffis halten bei nur 38 Prozent (siehe Grafik). Der Pkw-Anteil ist hingegen gestiegen.

Fünf Thesen, warum die politischen Pläne von der grünen Mobilität nicht Realität wurden:

Wien wächst vor allem in den Außenbezirken. Dort ist die Infrastruktur nicht ausreichend ausgebaut. Am stärksten war das Bevölkerungswachstum 2018 in Liesing (plus 2,4 Prozent), der Donaustadt (2,2 Prozent) und Floridsdorf (1,9 Prozent). Was die Bezirke eint: Überall gibt es Probleme mit der Öffi-Anbindung. Wer hier wohnt, greift für die Wege in die Stadt häufiger auf den Pkw zurück. Das bestätigt Martin Blum, Radverkehrsbeauftragter der Mobilitätsagentur: „Hier muss die Infrastruktur ausgebaut werden. Man sieht, dass sich der Anteil der Radfahrer nur in jenen Bezirken erhöht hat, wo in Radwege investiert wurde.“

Die Radwege haben zu viele Lücken. Das schreckt ab. Die mangelnden Investitionen in den Außenbezirken betreffen auch die Verbindungen in die Innenstadt. Im Fall der Triester Straße wird beispielsweise schon lange über den Bau eines Radwegs diskutiert. Er wäre eine wichtige Verkehrsader für Radfahrer aus dem Süden der Stadt. Passiert ist bisher nichts. Auch in inneren Bezirken gibt es Nachholbedarf – siehe die aktuelle Debatte über die Linke Wienzeile. Fehlende Radwege bergen enorme Sicherheitsrisiken.

Analyse: Von Wiener Autolust und Fahrradfrust

Andere Städte, andere Sitten: Rad- und Öffi-Verkehr konkurrieren. Zum Vergleich mit Wien wird gerne München herangezogen. Die bayerische Hauptstadt mit knapp 1,5 Millionen Einwohnern ist Wien in Sachen Radverkehr weit voraus. Den sieben Prozent Radfahrern in Wien stehen 18 Prozent in München gegenüber. Martin Blum erklärt diesen krassen Unterschied mit den vielen Vorteilen Wiens: „In München fahren viele mit dem Rad, weil die Öffis viel teurer und schlechter ausgebaut sind. Da bietet das Rad eine gute Alternative.“ Kurzum: Tolle Öffis stehen dem Radverkehr im Weg.

Bei aller berechtigter Kritik: Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen. Als Bilanz der Wiener Verkehrsentwicklung wird jährlich der sogenannte „Modal Split“ herangezogen. Nachteil dieser Erhebung ist, dass sie nur auf Befragungen von 2000 Wienern beruht. Wie hoch der Anteil der Rad- oder Autofahrer ist, wird also nicht tatsächlich gezählt. Kleine Veränderungen sollte man nicht überinterpretieren. Andere Messmethoden kommen oft zu anderen Ergebnissen. Ein Beispiel: Laut den Zählstellen in der Stadt stieg der Radverkehr 2018 um sechs Prozent an. Auch diese Messung ist freilich nicht verlässlich, weil sie nur an sieben Dauerzählstellen durchgeführt wird, die sich alle in den Innenbezirken an gut ausgebauten Radwegen befinden.

Die Österreicher lieben ihr Auto: Der Pkw bleibt attraktiv. Dank der guten Wirtschaftslage gab es bundesweit 2018 einen neuen Höchststand bei Pkw-Zulassungen. Zudem ist der Anteil von Autos seit 1993 ohnedies um 13 Prozentpunkte auf 29 gesunken. Eine weitere Verringerung bräuchte große (und teure) verkehrstechnische Maßnahmen.

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