Althangrund: Ein ganzes Grätzel als Zwischennutzung

Ein lächelnder Mann in rotem Overall hält eine Farbwalze vor zwei gerahmten Bildern.
In der und rund um die alte Wirtschaftsuniversität findet man ein Sammelsurium an Mietern und Organisationen. Doch ihre Zukunft ist ungewiss, befindet sich doch das ganze Viertel im Wandel.

Früher war der lichtdurchflutete Raum im Obergeschoß der ehemaligen Wirtschaftsuniversität ein Teil der Bibliothek. Mittlerweile sind jedoch mehr als neun Jahre vergangen, seit die WU das Glashaus bei der Spittelau für ein modernes Areal im Prater verlassen hat. Und jetzt malt Künstler Alexander Donhofer hier eine Wand an.

Die rote Farbe, die er dafür verwendet, ist außergewöhnlich: Sie enthält sein Blut. Wie viel davon in der Mischung enthalten ist, will er nicht verraten: „Das bleibt ein Betriebsgeheimnis“. Seine Bilder würden jedenfalls nicht nach einiger Zeit braun so wie die von Hermann Nitsch. Warum er mit seinem Blut malt? „Mehr Identität kann man für seine Kunst nicht geben“, sagt er, während er den Raum für seine Ausstellung vorbereitet.

Eine Karte des Grätzels am Althangrund in Wien mit verschiedenen Gebäuden und dem Donaukanal.

Zwischennutzung

Das Gebäude steht im Eigentum der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG). Seit März organisiert die Gruppe „West“ in deren Auftrag die Zwischennutzung. Rund 3.800 Quadratmeter werden an Kreative und soziale Einrichtungen vermietet. Erfahrung mit solchen Projekten sammelte „West“ bereits im vergangenen Jahr im ehemaligen Sophienspital, das mittlerweile teilweise abgerissen wurde.

Ein Mann im roten Overall streicht eine Wand mit einer Farbrolle rot an.

Donhofer.

Künstler und Aktionist Alexander Donhofer zeigt ab 11. November im "West" seine Ausstellung "Signatur Collection".

Eine Frau in rotem Overall steht vor einer rot-weiß gestrichenen Wand in einer Halle.

780 Quadratmeter

Im Obergeschoss der alten WU stellt er rote "Heile Weltbilder" und schwarze "Kathastrophenbilder" gegenüber.

Ein Gemälde mit roter Farbe und der Signatur „donhofer.“.

Der Punkt

Das Besondere an seiner patentierten Farbe: Sie ist aus seinem eigenen Blut. 

Eine Person hält ein Smartphone, auf dessen Display eine liegende Person in einem roten Hemd zu sehen ist.

Professionelle Blutabnahme

Dafür lässt sich der Aktionist das Blut von einem Arzt anmehmen.

Ein Farbeimer mit roter Farbe steht auf einer Abdeckplane, daneben eine Zange.

Nicht braun

Seine Arbeit mit Blut unterscheide sich von den Arbeiten von Hermann Nitsch: "Meine Bilder werden nach einiger Zeit eben nicht braun", sagt er.

Ein Stockwerk unter Donhofers Atelier findet Unterricht des Instituts für Restaurierung statt. „Hoffentlich wird die Ausstellung nicht zu laut“, sagt die Lehrende. Was zeigt: So ein Zwischennutzungsprojekt birgt auch Herausforderungen. Jeder Raum wird anders genützt und ist für unterschiedliche Menschen zugänglich. Im Untergeschoß arbeitet ein Jungdesigner an seiner ersten Kollektion.

Manche Räume dienen als Filmstudios, in anderen wird unterrichtet. Sprachkurse der Volkshochschulen, Maturastunden für ukrainische Jugendliche. Ein Betreiber für das Caféhaus wird noch gesucht.

Ein Wegweiser mit der Aufschrift „West“ und Hinweisen zu Kern A, B, C, D, Glasgalerie, Festsaal und Bibliothek.

Ein Lagerraum mit Teppichen, Matratzen und Schränken.

Eine weiße Wand ist mit Farbflecken und Klebeband bedeckt.

Ein langer, leerer Raum mit einem Glasdach, das viel Licht hereinlässt.

Ein leerstehender Büroraum mit beschmutzten Wänden und großen Fenstern.

Ein kleiner, überfüllter Raum mit Stühlen, Säcken und Werkzeug vor einem Fenster.

Abriss

„2026 soll die alte WU abgerissen werden“, befürchtet Willi Heder vom Kulturverein „Althangrund für Alle“, der in der alten Mensa einquartiert wurde. Der Grund für seine Sorge: Die BIG stellt die Räume nur befristet bis Ende 2025 zur Verfügung. Bestätigt wird der Abriss von der Eigentümerin jedoch noch nicht. Man befinde sich derzeit in Verhandlungen mit ÖBB und Wissenschaftsministerium, heißt es.

Zwei Schneiderpuppen stehen in einem Atelier vor einer Backsteinwand.

Untergeschoss

Im ehemaligen Zeitungsarchiv hat ein Designer seinen Arbeitsraum gefunden.

Ein Mann mit Bart und Brille arbeitet an einem Schnittmuster auf einem Tisch.

Martin Nikolaus Wieser

Der Südtiroler arbeitet an seiner Kollektion. 

Ein Mann sitzt an einem Tisch und arbeitet in einem Büro mit Entwürfen an den Wänden.

Kreativräume Wien

Er hat den Raum über KreativRäumeWien gefunden.

Ein Tresen mit einer Tafel, auf der Getränke und Preise stehen.

Eine Dozentin hält einen Vortrag vor einer Klasse von Studenten in einem Hörsaal.

Plattform Free People Educational Hub

Derzeit werden 40 Schüler aus der Ukraine von 9 Lehrkräften unterrichtet.

Das Areal beinhaltet nämlich auch die Schieneninfrastruktur des Franz-Josefs-Bahnhofs und deren Überbauung durch das Universitätszentrum Althanstraße. Fest stehe jedoch, dass es ein Bildungsstandort bleiben soll.

Bei einem Grätzel-Spaziergang am Althangrund stellt man fest: Vieles hat sich verändert, aber studiert wird noch immer. Etwa im Pharmazie- und Geozentrum (siehe Grafik), in dem sich auch das Institut für Theaterwissenschaft einquartiert hat

In das ehemalige Biologiezentrum sind vor einem Monat hingegen gerettete Papageien gezogen. Diese kann man Freitagnachmittags besuchen. Gleich nebenan sind derzeit wiederum 500 Geflüchtete auf Feldbetten untergebracht.

„Mit diesem Notquartier sind wir einem Zeltlager in Wien entkommen“, sagt dazu ein Sprecher der BBU (Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen). Ab November wird der Fonds Soziales Wien die Räume übernehmen. Wohin die Geflüchteten dann ziehen werden, sei noch unklar. Im Bezirk seien sie jedenfalls willkommen, sagt Bezirksvorsteherin Saya Ahmad (SPÖ).

Eine Frau trägt ein Fahrrad die Treppe am Wiener Museumsquartier hinauf.

Studierende

Viele Institute der Universität Wien befinden sich noch am Areal: Etwa das Institut der Theaterwissenschaft wanderte aus der Innenstadt vor Jahren auf das Areal.

Ein Fahrrad lehnt an einer Betonmauer mit Plakaten vor einem gelben Gebäude.

Das Grätzel

Rund um das Grätzel hat sich viel getan.

Ein mehrstöckiger, leerer Vogelkäfig aus Metall steht im Freien.

Gerettete Papageien

Im Glashaus des ehemaligen Bio-Zentrums sind seit einem Monat über hundert gerettete Papageien eingezogen. Diese können jeden Freitag (14 bis 17 Uhr) besucht werden.

Blick auf eine belebte Straße in einer Stadt mit moderner Architektur und einem Baukran am Horizont.

Blick auf Althanquartier

Im ehemaligen Bio-Zentrum sind derzeit 500 Flüchtende untergebracht. Von dort aus sieht man den Franz-Josefs-Bahnhof und das entstehende Althan-Quartier.

Blick auf das Fernheizwerk Spittelau und Gebäude von Wien Energie.

Das alte WU-Glashaus

Nach 2025 könnte die alte WU abgerissen werden.

Eine Person betritt ein Gebäude mit großen Glasfenstern über eine breite Treppe.

Bildungsstandort

Die Eigentümer BIG (Bundesimmobiliengesellschaft) und die ÖBB (Schieneninfrastruktur) sind mit dem Wirtschaftsministerium in Verhandlungen.

Umgestaltung

Wenige Häuser weiter entsteht bereits Neues. Über dem Franz-Josefs-Bahnhof wird das Althan-Quartier errichtet, ein Hotel mit Hochgarage, Büros und zwei Wohnbauten. Die alte Postdirektion wurde schon 2017 zum Wohnhaus Althanpark. Nach Fertigstellung des Althan-Quartiers im Jahr 2024 soll dann der Julius-Tandler-Platz umgestaltet werden, sagt Ahmad. Ein Beteiligungsprozess wurde bereits begonnen.

Bis dahin kann man jedenfalls noch das „West“ besuchen. Ab 11. November zeigt Donhofer seine Schau „Signature Collection“. Auch Theaterproduktionen oder offene Studiotage sind noch geplant.

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