AAI: Lokalaugenschein vom Freitagsgebet

AAI: Lokalaugenschein vom Freitagsgebet
Shaker Assem wurden seine radikal-islamischen Ansichten zum Verhängnis. Er darf nicht mehr am Afro-Asiatischen Institut predigen.

 

Kurz vor 13 Uhr beginnt das große Sesselrücken. Tische und Stühle verschwinden aus der Mitte des Saals. Der Holzboden verschwindet unter Teppichen und ausgerollten Stoffballen. Die ersten Gläubigen trudeln ein. „Wo ist bei euch der Waschraum?“, fragt einer. Hände werden geschüttelt, junge Männer verteilen Begrüßungsküsse.

Der „Große Saal“ des „Afro-Asiatischen-Instituts“ (AAI) in Wien-Alsergrund erfährt jeden Freitag dieselbe Verwandlung: Der Veranstaltungsraum des 1959 von Kardinal König gegründeten Bildungshauses wird zum islamischen Gebetsraum umgemodelt.

Kalifatskonferenz

AAI: Lokalaugenschein vom Freitagsgebet

Das prominenteste Gesicht fehlt heute unter den rund 40 Gläubigen: Shaker Assem, 48, der regelmäßig hier predigt, ließ sein Publikum diesmal warten. Der einstige Sprecher des deutschen Ablegers der panislamischen „Hizb ut-Tahrir“, der „Partei der Befreiung“, die in Deutschland verboten ist, war massiv unter Druck geraten. Er hatte nie einen Hehl aus seinen Ansichten gemacht: Israel das Existenzrecht abgesprochen, die Todesstrafe für Ehebruch und die Gründung eines Kalifats in der islamischen Welt gefordert. Jüngst hatte er sich eine größere Rolle zugedacht – als Organisator einer „Kalifatskonferenz“. In einer Vösendorfer Halle soll am 10. März vor 500 Gleichgesinnten das „Kalifat als alternatives Staatsmodell“ (laut Homepage) vorgestellt werden. Die Ankündigung des Events löste einen Sturm der Entrüstung aus – und besiegelte das Ende von Assems Karriere als Prediger. „Herr Assem ist in Absprache mit dem Institut zurückgetreten“, erklärt der AAI-Direktor Nikolaus Heger, der nervös vor dem Gebetsraum herumtänzelt. Assem selbst war nicht zu sprechen.

Nicht alle wollen hier über Assem Reden. „Viele haben Angst, dass sie mit ihm in einen Topf geworfen werden. Viele beten hier einfach nur“, sagt Heger. Ein 22-jähriger Bursche mit Kapuzenpulli hat keine Berührungsängste. Er schickt voraus: „Ich bin aber nicht bei der Partei.“ Partei? Er meint die „Hizb ut-Tahrir“. „Ich stimme Assem zu, bei allem zu. Er ist ein guter Prediger, bringt den Islam richtig rüber.“ Es sei falsch, was über ihn berichtet werde. „Er kommt mit einem anderen System“, sagt er. Parteimitglieder, wie er vorher noch angedeutet hatte, kenne er hier nicht.

Das Unbehagen gegenüber Kameras ist groß. „Ich bin hier, weil ich um die Ecke arbeite, und das praktisch ist“, sagt ein junger Mann, der einen Kameramann rüffelt: „Ich will nicht im Bild sein.“ Ein anderer Bursche ist hier freitags Stammgast, kannte den Prediger namentlich aber nicht: „Es waren in erster Linie Koranverse. Es gab von ihm nie einen Aufruf zu Gewalt. Wir sollen nur demokratisch unsere Meinung präsentieren.“

Kircheneinrichtung

AAI-Geschäftsführer Heger lauscht den Journalistenfragen. „Wir haben hier von den umstrittenen Aussagen nie etwas gehört“, betont er. Dennoch ist er in Erklärungsnot. Wieso darf ein Radikaler hier predigen? „Wir wollen auch problematische Leute nicht ausschließen, sondern mit ihnen den Dialog führen“, sagt Heger. Bewusst habe er deshalb auch Journalisten empfangen. „Wir sind ein offenes Haus.“ Im IAA wusste man über den Konservatismus des ehrenamtlichen Predigers Bescheid. Im Büro von Kardinal Christoph Schönborn nicht. Aus der Wiener Erzdiözese, die das AAI mitfinanziert, kam die Anregung, den Prediger verstummen zu lassen.

Die Lehre aus dem Fall liegt für Heger auf der Hand. Es mangle an einer Ausbildung für Imame. „Das gibt es in Österreich nicht.“ Noch nicht, denn Pläne dafür existieren bereits.

Der Gebetssaal ist um 13.30 Uhr bereits voll besetzt, als ein junger Mann den Vorraum betritt. „Ich bin eigentlich Jurist, Arbeitsrechtler“, sagt der gebürtige Bosnier, der Heger die Hand reicht. „Ich bin kurzfristig als Prediger eingesprungen.“ Vom Wirbel um seinen Vorgänger erfuhr der 33-Jährige aus der Zeitung, dessen Ansichten teilt er nicht. „Ich bin für Menschenrechte.“ Im Saal erwartet man ihn schon. „Wir sollten alle vorsichtig sein, denn der soziale Frieden in Österreich ist ein so hohes Gut“, sagt er. Heger nickt. Dann schließt er die Tür zum Gebetsraum.

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