650 Tote bei Schiffsunglück: Männer in Wien angeklagt

Zusammenfassung
- Zwei in Wien lebende Männer aus Syrien sind angeklagt, in ein Schiffsunglück im Mittelmeer verwickelt zu sein, bei dem 650 Migranten starben.
- Die Männer sollen Migranten an ein 'Reisebüro' vermittelt und 4.000 Euro pro Person für die Überfahrt angenommen haben.
- Ermittler fanden Notizbücher mit Geldüberweisungen, und der Prozess wurde auf den 24. April vertagt.
Es war der 14. Juni 2023, als der hoffnungslos überfüllte, ausrangierte Fischkutter „Adriana“ im Mittelmeer versank. An Bord waren rund 750 Menschen, allesamt Migranten, die sich von Libyen aus auf den Weg nach Europa gemacht hatten. Einige starben bereits an Bord, sie waren im Maschinenraum erstickt. Der Großteil aber ertrank, als das Schiff kenterte. Nur rund 100 Menschen überlebten.
Die Umstände rund um dieses Unglück sind bis heute nicht restlos geklärt. Doch die Ermittlungen nach der Tragödie laufen. Die Spur zu den Schleppern führt bis in den 16. Wiener Gemeindebezirk.
Am Dienstag sind zwei Männer aus Syrien im Landesgericht für Strafsachen angeklagt. Beide wohnen in Wien. Beide haben gute Verbindungen in ihre Heimat, der 27-jährige Erstangeklagte kam selbst erst vor drei Jahren nach Österreich. Bis zur Untersuchungshaft arbeitete der Mann als Taxilenker.
4.000 Euro
Die beiden Männer sollen laut Anklage bei der Schleppung der Flüchtlinge involviert gewesen sein. Konkret sollen sie Interessierte an ein entsprechendes „Reisebüro“ vermittelt haben, zudem auch das Geld (je 4.000 Euro pro Person) in Empfang genommen und weitergeleitet haben. Zumindest fünf Personen – nur eine von ihnen überlebte das Schiffsunglück – sollen mit ihrer Hilfe das Schiff bestiegen haben.
Die Ermittlungen dazu nahmen ihren Anfang in Deutschland. Die Mutter eines Toten hatte Vermisstenanzeige erstattet und berichtete über eine Kontaktperson in Wien.
Wie fatal die Umstände an Bord waren, beschreibt die Staatsanwältin: „Es gab kein Ruder, die Lenkung erfolgte über Gewichtsverteilung der Passagiere. Es war eine sechs Tage lange Irrfahrt im Mittelmeer ohne Essen und Wasser.“ „Es muss ein Horrortrip gewesen sein“, sagt auch Wissam Barbar, Anwalt des Erstangeklagten. „Der Kapitän wurde noch an Bord erstochen.“
Doch sein Mandant stehe nicht auf der Seite der Schlepper. „Er steht auf der Seite der Geschleppten. Unter den Toten waren auch zwei seiner Cousins und Menschen aus seinem Dorf, die er kannte.“
Wahr sei allerdings, dass der 27-Jährige über das Hawala-System Überweisungen nach Syrien getätigt hat. „Aber nur kleine Überweisungen und nicht wissentlich für Schlepperei.“ Ebenfalls habe er einem Mann, der Verwandte nach Österreich bringen wollte, vom „Reisebüro“ berichtet, über das die Cousins nach Europa kommen sollten. „Ich war bei einer Geldübergabe vor einem Restaurant in Wien dabei. Aber er hatte mich darum gebeten“, sagt der 27-Jährige.
Verdächtiges Notizbuch
Bei einer Hausdurchsuchung fanden Ermittler Notizbücher mit genauen Aufzeichnungen von Geldübergaben und –überweisungen.
Nach Bekanntwerden der Katastrophe half er ihm, das bezahlte Geld zurückzubekommen.
Prozess vertagt. Am 24. April werden der Zweitangeklagte (Anwalt Peter Philipp) und ein Überlebender befragt.
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