650 Menschen starben bei "Reise des Todes" im Mittelmeer

Der 40-jährige Syrer hat den Horror am eigenen Leib verspürt: Die Flucht über das Mittelmeer nach Europa. „Ich weiß, dass es eine Reise des Todes ist“, sagt er. Er hat es geschafft, lebt nun in Schweden. Doch sein minderjähriger Neffe, der folgen sollte, ist einer von 750 Flüchtlingen, die am 14. Juni 2023 an Bord des heillos überfüllten Fischkutters „Adriana“ gingen. Das Boot sank, nur 100 Menschen überlebten.
Geldübergabe in Wien
Der 40-Jährige sitzt in einem Gerichtssaal in Schweden, als er davon erzählt. Die Zuhörer befinden sich im Landesgericht für Strafsachen in Wien, dorthin wird seine Aussage übertragen. Der Mann ist Zeuge in einem Schlepperprozess. Zwei Syrer, die in Ottakring leben, sollen in die Schleppungen involviert gewesen sein. Zumindest fünf Personen sollen mit ihrer Hilfe das Schiff bestiegen haben, nur einer davon überlebte.
Die Beschuldigten bestreiten, damit in Zusammenhang zu stehen. Erst recht hätten sie kein Geld damit verdient. Doch den Erstangeklagten (vertreten von Anwalt Wissam Barbar) erkennt der 40-jährige Zeuge sofort. „Das ist Walid. Ihm habe ich das Geld übergeben. Aber die echten Schlepper sitzen in Libyen.“ Rund 4.000 Dollar, erinnert er sich, habe er für die Schleusung des Neffen überreicht.
Auch ein zweiter Zeuge, der nun in Schweden lebt, erinnert sich an den Namen. „Walid war der Treuhänder, bei dem wir das Geld hinterlegen sollten.“ Er zahlte für seinen Sohn und den Schwiegersohn. Nur der Sohn überlebte die Reise. Als klar war, dass auch die Angehörigen unter den Todesopfern waren, wurde das Geld wieder zurückgegeben.
Schiff verpasst
Die Umstände der Flucht waren haarsträubend. Allein zehn Tage lang mussten die Menschen in der Wüste ausharren, ehe es weiterging. Die Gruppe kam zu spät am Hafen in Libyen an, wo sie das Schiff besteigen sollte – und musste das nächste nehmen. Es war der marode Fischkutter „Adriana“, der sechs Tage lang durch das Mittelmeer irrte. Es gab weder Wasser noch Essen, die Lenkung war ausgefallen. Der Kapitän wurde noch an Bord von den Passagieren erstochen.
Beim Erstangeklagten wurde eine Liste mit Geldüberweisungen gefunden. Die will der 27-Jährige für den Mitangeklagten (vertreten von Rechtsanwalt Peter Philipp) erstellt haben. „Das stimmt sich. Er hat sich mehrmals widersprochen. Erst hat er gesagt, dass seine Töchter diese Notizbücher auf der Straße gefunden haben“, bestreitet der Taxiunternehmer.
Auffällig ist, dass der Mann den Erstangeklagten zur Polizei begleitete, als diese ihn zum ersten Mal befragen wollte. „Kann es sein, dass es Ihnen wichtig war, zu wissen, was er bei der Polizei aussagt?“ „Nein, nein“, wiegelt er ab. „Er spricht kein Deutsch. Weil er bei mir gearbeitet hat, wollte ich ihm helfen, falls ich übersetzen soll.“
Weitere Zeugen müssen befragt werden. Vertag auf 16. Mai.
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