1001 Schätze am Wiener Nordbahnhof

1001 Schätze am Wiener Nordbahnhof
Vom Anrufbeantworter bis zur Zapfsäule, bei "props.co" gibt es nichts, was es nicht gibt. - mit VIDEO
1001 Schätze am Wiener Nordbahnhof
Kutschenkoffer, Kühlschrank-große Autotelefone, ungeöffnete Raviolidosen aus den Fünfzigern, Friedhofskreuze, Schaufensterpuppen, Gemälde, Brillen, Kofferradios, Theatermesser, „Playboy“-Erstausgaben - Beim Gang durch das Lager von „props.co“am Gelände des ehemaligen Wiener Nordbahnhofes stellt sich unweigerlich das Gefühl ein, dass es hier alles gibt, was in den letzten 100 Jahren von Menschenhand gefertigt wurde. Ein Hauch von Museumsstimmung kommt auf, doch es ist kein Museum, alles hier ist für den Gebrauch im Film, TV und Theater bestimmt. Millionen Kleinode - verteilt auf drei Etagen – füllen insgesamt 2.400 Quadratmeter und lassen Geschichten lebendig werden.

Wieviel das alles wert ist, das vermag Peter Egger, einer der sechs Vereinsmitglieder von „props.co“, nicht zu sagen. Versichert sei man für einen Schadensfall von etwa 160.000.- Euro, der tatsächliche Wert der gelagerten Gegenstände liegt wohl weit darüber - wie weit, das ist schier unmöglich zu ermitteln. Der Wert der Requisiten läge vor allem in „der Mühsal ihrer Beschaffung“, meint Egger schmunzelnd- und die ist schwer in Zahlen auszudrücken.

1001 Schätze am Wiener Nordbahnhof
Der Waldviertler begann vor 35 Jahren seine Laufbahn als Reqisiteur, langhaarig, vollbärtig und lederbejackt - ein Bürgerschreck. Nicht selten wäre er beinahe von Haus und Hof verjagt worden, ehe er den erstaunten Bewohnern für ihren Krempel einen ordentlichen Batzen Bargeld auf den Tisch legte. Ende der Siebziger diente ihm eine 60qm-Wohnung als Lager. Irgendwann reichte das längst nicht mehr und so wurden seine Lagerstätten zusehend größer, bis er sich vor Jahren mit fünf gleichermaßen platzgeplagten Requsiteuren zusammen tat und dem Raumproblem endgültig den Kampf ansagte. Man mietete die riesige Halle am Nordbahnhof und gründete den Verein „props.co“. Individuelles Eigentum gibt es seither nicht mehr, völlig gleichgültig, wie viel man in die Halle mitbrachte. Hat Peter Egger einen Film oder eine TV-Serie auszustatten, leiht er quasi sein ehemaliges Eigentum und bezahlt den Verein aus dem Budget der jeweiligen Produktion.

Kostüme sucht man bei „props.co“ vergebens, der Verein hat sich auf Kleingeräte und Gegenstände ab dem Jahrgang 1880 spezialisiert. Ein exaktes logistisches System gibt es nicht, nirgendwo findet man Inventarnummern, denn „wer will schon eine Inventarnummer auf einem Koffer im Film sehen“, feixt Egger vergnügt. Gesucht wird mit Hirnschmalz, man braucht ein gutes Gedächtnis. Mittendrin stehen wir plötzlich vor einem riesigen Schrank voller Glühbirnen. Die wurden vor dem EU-Verbot gehamstert. „Man kann in einem Film über die Sechziger keine Sparlampe in den Luster drehen, außerdem machen die alten Birnen ein schöneres Licht!“, zeigt sich Egger von der Energiesparlampe wenig begeistert.

1001 Schätze am Wiener Nordbahnhof
Verwendung finden all die Lampen, Uhren, Zigaretten, Mobiltelefone und Gemälde hauptsächlich beim Film, kaum eine Produktion in Österreich, die sich nicht hier ausstattet, aber auch TV-Serien wie „Soko Donau“ erwecken ihre Sets mit Gegenständen aus dieser Halle zum Leben. Wegwerfen fällt den Vereinsgründern schwer, weil in der Beschaffung so viel Zeit und Arbeit steckt. Michael Haneke forderte beispielsweise einst eine gebrauchte Zahnprothese, eine adaptierte Neuwertige war ihm nicht authentisch genug. Also fuhr Egger tagelang durch die Gegend, studierte die Todesanzeigen in den Zeitungen und klapperte die Wohnorte der Verstorbenen ab, bis es ihm gelang den Hinterbliebenen eine solche Prothese abzukaufen. Makaber.

Schwierigkeiten gibt es auch immer wieder mit der Platzierung von Gemälden im Film, des Urheberrechtes wegen. „Theoretisch darfst du nicht einmal eine Cola-Flasche ins Bild stellen, schließlich hat irgendein Designer das Ding gestaltet.“, klärt uns der Requisiteur auf. Solange es jedoch zu keiner missbräuchlichen Verwendung kommt, bliebe man schadlos.

Die Zeiten sind schlecht für den österreichischen Film, das bekommt auch der Verein zu spüren. Zudem macht Filmschaffenden ein spürbares Ungleichgewicht zu schaffen, denn die Schauspielergehälter sind über die Jahre gestiegen und fressen mittlerweile einen Großteil der ohnehin knappen Budgets auf. Für die Crew bleibt da oft wenig übrig. „Eine Ungerechtigkeit“, findet Peter Egger, zudem würden sich die Produktionsbedingungen immer „grauslicher“ gestalten, der Mensch und seine Arbeitsleistung sei immer weniger wert. 80, 90 Wochenstunden bei 60 bezahlten Wochenstunden laut Vertrag sollen keine Seltenheit sein. Zudem mieden große Produktionen aus dem Ausland Österreich wie der Teufel das Weihwasser, Filmförderung hin oder her. Zumeist wird in Ungarn und Tschechien gedreht, neuerdings wandere man auch gerne nach Bukarest ab. Alle 4-5 Jahre gibt es zudem ein weiteres finanzielles Tal für ihn und seinen Verein zu durchschreiten, das nächste kündigt sich schon an, es heißt „ORF-Intendantenwahl“. Die einen unterschreiben nichts mehr, die anderen noch nichts. Außerdem gäbe es kaum noch Produktionen die Geld riskieren würden, man richte sich einfach nach den Förderungen, „Man reist nach Tirol, Niederösterreich, Köln, oder Südtirol, wenn`s dort was zu holen gibt, auch wenn z.b. Berge gar nicht in den geplanten Film passen. Ein Film wird nicht mehr dort gedreht, wo er eigentlich hingehört. Das ist absurd.“

Trotz alledem nimmt Peter Egger es mit wahlwienerischer Gelassenheit, zulange ist er schon dabei: „Film ist eben ein saisonales Geschäft, während der Durststrecken muss man sich halt vom Ersparten über Wasser halten. Hilft ja nichts.“ Und so wird er weiter suchen und sammeln, bis die Halle aus allen Nähten platzt.

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