Wenn Helden Hilfe brauchen
Der Brand einer Lagerhalle auf einem Bauernhof in Grünbach, Bezirk Gmünd, vergangenen Freitag ist bereits gelöscht. Doch plötzlich bricht ein 30-jähriger Feuerwehrmann zusammen. Reanimationsversuche sind vergeblich. Laut Obduktion hat der Freiwillige einen Herzinfarkt erlitten, die Kameraden waren schwer betroffen.
Eine emotionale Situation, der die Betroffenen unterschiedlich schwer belastet. Doch dafür gibt es seit knapp 15 Jahren die Peer-Betreuung. Das Ziel: Das Erlebte durch ein erstes Gespräch mit Kameraden zu verarbeiten.
So war es auch vergangene Woche. Seitens der Einsatzleitung wurde umgehend Peer-Betreuer Markus Gärtner gerufen. "Wir haben den Einsatz nochmals gemeinsam besprochen." Unter den Kameraden herrschte Unverständnis und Ratlosigkeit "Jeder kann sich wohl denken, wie es ihnen geht", sagt Gärtner, der im Brotberuf Pfarrer ist.
Bilder im Kopf
Der tragische Vorfall ist jedoch einer von vielen, den die Mitglieder von Feuerwehren täglich hautnah miterleben. Nicht selten bleiben die Erlebnisse ungewollt hängen. Vor allem bei Verkehrsunfällen oder wenn Kameraden sowie Angehörige involviert sind, können die Bilder im Kopf zur Qual werden.
Christian Hackl, Freiwilliger aus Schrick, erinnert sich an einen Verkehrsunfall mit drei Jugendlichen. Das Auto hatte einen Lkw gerammt. Ein Bursch war sofort tot, die zwei anderen verstarben im Spital. "In der ersten Nacht sind mir plötzlich die Bilder vom Unfall gekommen." In Hackls Fall war der Einsatz damit verarbeitet.
Andere verfolgen solche Eindrücken wesentlich länger. Gärtner spricht aus der Erfahrung: "Ich hatte selbst Einsätze, bei denen man die Bilder nur schwer aus dem Kopf bekommt." Oder sie kommen wieder: "Etwa wenn man an der Unfallstelle wieder vorbeikommt."
"Jeder Mensch reagiert individuell", schildert Cornel Binder-Krieglstein, Notfallpsychologe und Koordinator der Peer-Betreuung. Grundsätzlich sei es normal, dass man sich mit emotionalen Themen auseinandersetzt. "Wichtig ist, dass die Leute, die dabei Hilfe brauchen, nicht allein gelassen werden", sagt Christoph Mayrhofer, Leiter der Peer-Betreuung.
Vertrauen
Das Konzept dahinter: Ein gemeinsames Gespräch unter Kameraden. "Das hilft in den meisten Fällen bereits", weiß Binder-Krieglstein. Die Peers werden zwar psychologisch ausgebildet, allerdings nur laienhaft (siehe Kasten). Das sei aber auch das Ziel. "Einem Kameraden vertraut man sich eher an als gleich einem Psychologen", weiß Binder-Krieglstein.
Seit 15 Jahren steht den Mitgliedern der Feuerwehr das Betreuungsangebot zur Verfügung. Zu Beginn kämpfte man noch mit dem Image eines starken Feuerwehrmannes. "Ich bin kein Schwächling, ich brauche keinen Psychodoktor", weiß Peer Werner Kraus aus seiner Erfahrung.
Diese Ansicht hat sich in den vergangenen Jahren verändert. "Immer mehr machen damit positive Erfahrungen", weiß Mayrhofer.
Derzeit gibt es niederösterreichweit 40 Peers, deren Namen in den Alarmzentralen für den Notfall aufliegen müssen. Deren Einsatz kann jeder Kommandanten oder Einsatzleiter je nach Bedarf selbst entscheiden. Gleichzeitig kann sich auch jedes Feuerwehrmitglied selbst an einen Peer wenden. Die Gespräche werden, wie bei der Seelsorge, vertraulich behandelt.
Grundsätzlich kann sich jedes Mitglied der Feuerwehr als Peer ausbilden lassen. Die Person muss nur über 25 Jahre sein und mehrere Jahre Einsatzerfahrung haben. Die Ausbildung setzt sich dann aus drei Phasen zusammen: Ein psychologisches Gespräch, einen theoretischen Kurs sowie eine Abschlussprüfung. Zudem ist jeder Peer dazu verpflichtet, eine jährliche Fortbildung zu absolvieren.
„Die Peers sind aber keine Minipsychologen“, stellt der Koordinator der Peer-Ausbildung, Cornel Binder-Krieglstein, klar. Vielmehr werden den Auszubildenden die Grundlagen der psychologischen Betreuung für den Ernstfall mitgegeben. Zum Beispiel: Wie beginne ich ein Gespräch, wie gehe ich auf den Kameraden richtig ein.
Die Aufgabe der Peers ist es laut Binder-Krieglstein aber auch zu erkennen, wo fachliche Hilfe notwendig ist. Denn die Peers sind vor allem für den Ernstfall vorgesehen, um ein erstes Gespräch unter Kameraden zu führen. Ist weitere Hilfe notwendig, stehen vier Psychologen zur Verfügung bzw. wird an Fachexperten verwiesen.
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