Wenn uns der Müll auf den Kopf fällt

Symbolbild
Chinesisches Raumlabor wird um Ostern auf die Erde stürzen. Der Müll im All nimmt zu

„Die Wahrscheinlichkeit von einem Trümmerteil verletzt zu werden, ist so hoch wie die Möglichkeit, von einem Blitz zweimal in einem Jahr getroffen zu werden“, sagt Holger Krag von der Europäischen Raumfahrtagentur ESA. Ein chinesisches Raumlabor wird bald auf die Erde stürzen. Forscher geben Entwarnung.

Müllberge, Plastikinseln und Atomendlager. Dass Schrott und Abfall auf der Erde zu Problemen führt, ist bestens bekannt. Manch einer stellte sogar schon Überlegungen an, unseren Müll einfach im All zu entsorgen. Dabei ist es gerade der Weltraumschrott, der nun immer häufiger große Probleme hervorruft. Etwa das Raumlabor „Tiangong 1“, das die Chinesen 2011 ins All geschossen haben. Insgesamt sechs Kopplungsmanöver mit chinesischen Raumschiffen absolvierte das Labor, bevor es von seinem weitaus größerem Nachfolger „Tiangong 2“ abgelöst wurde. Seit 2016 fliegt „Tiangong 1“ nun also als zwölf Meter langer Klumpen Müll unkontrolliert und unbemannt durchs All. Irgendwann zwischen Karfreitag und dem 6. April erwarten Experten den Absturz auf die Erde.

Ein Großteil verglüht

8,5 Tonnen hat der „Himmelspalast“. Allerdings sollen „nur“ 1,5 bis 3,5 Tonnen den Eintritt in die Atmosphäre überstehen, heißt es von der ESA. Das Objekt werde zerfallen und der größte Teil werde durch die entstehende Reibungshitze verglühen. Nur Elemente aus Titan oder Edelstahl nicht. Vergleichbar mit einem Meteoriteneinschlag sei der Wiedereintritt der Raumstation nicht. Einen Krater werde es auch nicht geben, weil die Trümmer ab 30 Kilometern Höhe mit der normalen Fallgeschwindigkeit Richtung Erdoberfläche unterwegs sein werden.

Wo genau die Teile dann auf die Erde treffen werden, ist genauso ungewiss wie der exakte Zeitpunkt. Holger Krag schränkt das Gebiet, in welchem die Trümmer eintreten können, auf einen erdumspannenden Gürtel von 43 Grad südlich bis 43 Grad nördlich des Äquators ein. In dieser Zone befinden sich alle Ozeane und Kontinente bis auf die Antarktis.

Die Gefahr durch die Trümmer sei aber eher gering. Die Absturzregion umfasst viel Wasser und Wüsten. Außerdem „fällt auch nicht alles auf einen Fleck, sondern verteilt sich über eine Schleppe von 1000 bis 1200 Kilometern“, versichert Krag.

Gefahren im All

Wenn uns der Müll auf den Kopf fällt

Toxic garbage in the space over Earth

„Tiangong 1“ ist nicht der erste dieser Fälle. Bereits 1979 stürzte das ausrangierte US-amerikanische Forschungslabor „Skylab“ über Australien ab. 1991 fielen die Bruchstücke der sowjetischen Raumstation „Saljut 7“ auf Argentinien. Menschen wurden dabei nicht verletzt.

Laut Krag kehren pro Jahr durchschnittlich 70 bis 80 Tonnen Raumfahrtschrott unkontrolliert auf unseren Planeten zurück. Aber nicht nur auf der Erde können die Müllteile Schaden anrichten. Satelliten und andere Flugkörper im All sind zunehmend von den herumfliegenden Teilen bedroht. Drei bis vier Satelliten werden jährlich durch Kollisionen zerstört. Dadurch werden noch mehr Trümmer – also noch mehr Müll – produziert. Im Extremfall, dem sogenannten „Kessler-Syndrom“, führen die Kollisionen zu einer unkalkulierbaren Kettenreaktion, die schlussendlich die gesamte Raumfahrt lahmlegen würde.

Bereits kleine Objekte mit rund zehn Zentimetern Durchmesser können bei einem Aufprall mit einer Geschwindigkeit von 40.000 Stundenkilometern die Wucht einer Handgranatenexplosion haben. Rund 750.000 Objekte dieser Größenordnung sollen im Weltraum herumschwirren. Zudem wird die Zahl der nicht ungefährlichen Kleinteilchen zwischen einem Millimeter und einem Zentimeter Größe auf 166 Millionen geschätzt.

Was tun gegen den Müll?

Die Ideen zur Müllbekämpfung reichen von Hochleistungslasern bis hin zur Weltraum-Müllabfuhr. Die Laser sollten von der Erde aus den Müll im Weltraum beschießen. Mit Netzen und Greifarmen plant die ESA in den nächsten Jahren gegen Weltraumschrott vorzugehen und diesen regelrecht einzusammeln. Auch ein Kollisions-Früherkennungs-Programm ist in Planung. Mit Hilfe eines Weltraumradars in Koblenz sollen Flugbahnen von Müllteilen berechnet werden, sodass Satelliten rechtzeitig vor einer bevorstehenden Kollision umgelenkt werden können.

Alle vier Jahre treffen sich Vertreter der wichtigsten Raumfahrtnationen, um über Weltraummüll zu beraten. Die 1993 ins Leben gerufene Veranstaltung gilt als weltweit größte zu dem Thema. Zuletzt fand das Treffen im April 2017 statt. Verpflichtende Regeln werden bei diesen Zusammenkünften allerdings nicht beschlossen.

(Veronika Ebner)

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