Warum uns Google Maps belügen muss

ATTENTION EDITORS - 2 OF 21 PICTURES TO MATCH PACKAGE 'WORLD POPULATION - SEVEN BILLION - TO FIND ALL PICTURES SEARCH 'POPULATION-BABY/' NASA undated handout image shows an image of the earth taken from space. The world's population will reach seven billion on 31 October 2011, according to projections by the United Nations, which says this global milestone presents both an opportunity and a challenge for the planet. While more people are living longer and healthier lives, says the U.N., gaps between rich and poor are widening and more people than ever are vulnerable to food insecurity and water shortages. REUTERS/NASA/JHandout (UNITED STATES - Tags: SCIENCE TECHNOLOGY ENVIRONMENT) FOR EDITORIAL USE ONLY. NOT FOR SALE FOR MARKETING OR ADVERTISING CAMPAIGNS. THIS IMAGE HAS BEEN SUPPLIED BY A THIRD PARTY. IT IS DISTRIBUTED, EXACTLY AS RECEIVED BY REUTERS, AS A SERVICE TO CLIENTS
Kartendienste sind bei der Darstellung von Weltkarten dazu gezwungen, Größenverhältnisse anzupassen.

Schaut ja gar nicht so weit aus." Wer schon mal in einem Atlas oder in einem der zahllosen Online-Kartendienste eine Reiseroute geplant hat, kennt das vielleicht. Selbst unter Rücksichtnahme auf den enorm verkleinerten Maßstab, erscheinen Distanzen - verglichen mit jenen bekannten Wegen, wie etwa Wien-Salzburg, die das Gehirn dann für gewöhnlich zum Vergleich heranzieht - meist wenig beeindruckend.

Doch genau hier ist Vorsicht geboten. Wie Kartograph Thomas Huber erklärt, ist eine Karten-Zeichnung immer ein fauler Kompromiss. Schuld an dem Dilemma ist eine mathematische Form: die Kugel. "Aus mathematischer Sicht ist es unmöglich, eine Kugel auf einer ebenen Fläche ohne Verzerrungen abzubilden", frischt Huber Erinnerungen an die Schulzeit wieder auf. Die Erdkrümmung erlaubt es nämlich nicht, dass eine Weltkarte in zweidimensionaler Form exakt dargestellt wird. Die einzige Abhilfe: Man verwendet einen Globus.

Weiter als man denkt

So erklärt sich etwa auch die Beispielkarte von Google Maps (siehe Grafik). Auf dieser sind Deutschland, Brasilien und Tansania eingezeichnet. "Straßen, Wege etc. stehen selbst bei starker Vergrößerung im richtigen Winkel zueinander. Eine der wichtigsten Funktionen bei solch webbasierten Kartendiensten ist Routenplanung/Navigation. Die korrekte Lage von etwa Flüssen oder Gebirgszügen zueinander ist dabei die wichtigste Basis für korrekte Ergebnisse der Darstellung einer Route von Punkt A nach Punkt B", erklärt Kartograph Thomas Huber die Intention der Anbieter, teilweise dramatische Unterschiede zu den tatsächlichen Abmessungen der Länder in Kauf zu nehmen.

Schneidet man in der Grafik weiter unten Deutschland aus, so passt es von der Größe fast genau auf Tansania und knapp zwölf Mal in Brasilien. Tatsächlich jedoch ist Tansania drei Mal und Brasilien gar fast 25 Mal so groß wie die Bundesrepublik. Fußball-WM-Touristen dürfen sich also schon jetzt auf Langstrecken-Reisen zwischen den Spielorten einstellen.

Warum uns Google Maps belügen muss

Treueeigenschaften

Aber zurück zur (Papier-)Karte. Nur abwickelbare Flächen wie Zylinder oder Kegel erlauben es, verzerrungsfrei auf eine Ebene projiziert zu werden. In der Kartographie unterscheidet man daher im Wesentlichen drei Kartenarten: Flächentreue, Abstandstreue und Winkeltreue. Gleichzeitig können alle Eigenschaften niemals erfüllt werden. Hinzu kommt, dass die Verzerrungen mit der Größe der dargestellen (Erdober-)Fläche noch zunehmen.

Doch auch hierfür bietet die Wissenschaft Lösungen. "Weltkarten verwenden heute meist eine Winkel-Tripel-Projektion, da sie als gelungenster Kompromiss zwischen Winkel- und Flächenträue gilt," erklärt Huber. Nautische Karten würden dagegen fast ausschließlich auf die sogenannte Mercator-Projektion setzen - die auch bei Google Maps Anwendung findet - zumal sie gestattet Kurslinien auch über große Distanzen als gerade Linien darzustellen.

Streitfrage

Wer, wann und warum, welche Projektionsart verwendet oder verwenden soll, darüber herrscht in der Wissenschaft seit Jahrhunderten Uneinigkeit bzw. hängt diese heute stark von ihrem Verwendungszweck ab.

Warum uns Google Maps belügen muss
Als "Vater" der heute am meisten Verwendung findenden Projektionsart gilt der deutsche Universalgelehrte Gottfried Mercator. Seiner Idee aus dem 16. Jahrhundert liegen noch heute fast alle Online-Kartendienste wie jene vonGoogle,BingoderYahoo zugrunde.

Kritiker werfen der winkeltreuen Mercator-Projektion - sie lässt Länder in den gemäßigten Breiten der Nord- und Südhalbkugel "größer" erscheinen" - jedoch "Eurozentrismus" vor, weshalb in den folgenden Jahrhunderten auch andere Projektionsarten Anwendung fanden.

Karten-Typen im Kurzüberblick

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Fehlende Längentreue: Auf der unten dargestellten Karte entspricht die Strecke vom Tschadsee bis zum Victoriasee fast exakt jener Strecke zwischen Berlin und Istanbul. Das Problem: Die Distanz zwischen den beiden Seen beträgt 2620 Kilometer, während man von Berlin nach Istanbul nur rund 1730 Kilometer zurücklegen muss.

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