Vatikanexperte: "Papst wird die Priester-Ehe erlauben"
KURIER: Herr Englisch, Papst Franziskus spricht heute den Segen "urbi et orbi". In einer Woche spricht er seine Vorgänger Papst Johannes Paul II. und Johannes XXIII. heilig. Ein historisches Ereignis für Christen?
Andreas Englisch: Das wird ein einzigartiges Ereignis in der Geschichte, wo bis zu fünf Millionen Pilger erwartet werden. Zwei Pontifices, Papst Franziskus und auch der emeritierter Papst Benedikt, am Altar am Peters-platz werden zwei ihrer Vorgänger heiligsprechen. Das wird es in der Kirchengeschichte in den nächsten tausend Jahren nicht mehr geben.
Sie haben Papst Johannes Paul II. auf vielen Reisen begleitet und behaupten, dass er mehr als jene zwei anerkannten Wunder bewirkt habe. Welche haben Sie erlebt?
Eines davon ist das Wunder von Santa Lucia im Jahr 1986. Der Papst wollte zu Lebzeiten nicht, dass es bekannt wird. Johannes Paul II. war gerade auf der Rückreise aus Südamerika und legte einen Zwischenstopp auf dem kleinen Eiland ein. Dort lebte der kleine Kevin. Er war aufgrund eines Sauerstoffmangels bei seiner Geburt behindert und konnte weder laufen noch sitzen und auch nicht selbstständig atmen. Der behandelnde Arzt, der übrigens ein Jude war, hatte den kleinen Kevin zum Sterben nach Hause geschickt. Kevins Mutter Marie Jeremie packte am 7. Juli 1986 ihren 24 Monate alten Sohn ein, um mit ihm den Papst zu sehen. Johannes Paul II. segnete Behinderte und Kranke, darunter auch den kleinen Kevin. Tags drauf – der Papst ist längst wieder abgeflogen – konnte das Kind plötzlich seine Beine und Füße benutzen. Ich habe mit den Ärzten und der Klinik gesprochen. Keiner meiner Auskunftspersonen davon war Katholik und alle waren der Meinung: "Wir glauben nicht an die katholische Kirche, aber was hier passiert ist, ist medizinisch nicht erklärbar. Das war für alle beteiligten ein Wunder.
Papst Johannes Paul II. wird in Rekordzeit heiliggesprochen. Eine kluge Marketingstrategie der Kirche?
Wenn es überhaupt Heilige gibt, dann war Papst Johannes Paul II. heilig. Als Karol Wojtyła zum Start seines Pontifikats sagte, wir werden den Eisernen Vorhang niederreißen, dachten alle, der hat sie nicht mehr alle. Die Russen haben Atombomben, eine riesige Armee und Panzer und der kleine Pole will sich mit seiner Schweizer Garde, die wie Harlekine ausschauen, mit Leonid Breschnew anlegen? Das hätte kein Mensch für möglich gehalten. Weihnachten 1989 ist Michail Gorbatschow nach Rom gereist, um sich mit den Papst zu treffen. Als Michail Gorbatschow nach der Audienz mit den Journalisten sprach, meinte er, ohne Karol Wojtyła wäre die Berliner Mauer nie gefallen. Wieder so ein Zeichen, dass Papst Johannes Paul II. nicht nur ein von seiner schweren Krankheit gezeichneter Pole war, sondern ein Gottesmann, der es geschafft hat, die ganze Welt zu verändern. Als ich 1987 nach Rom kam, war ich nicht gläubig, aber durch Johannes Paul II. habe auch ich begonnen, an Gott zu glauben – und ich bin ihm sehr dankbar dafür.
Kann Papst Franziskus mit seinem Wirken in die Fußstapfen von Karol Wojtyła treten?
Das Thema von Johannes Paul II war: "Habt keine Angst!" Er kämpfte gegen die Unterdrückung der Menschen hinter dem Eisernen Vorhang. Franziskus ist davon geprägt, dass die Unterschiede zwischen sehr reich und sehr arm nirgendwo auf der Welt so groß sind wie in Lateinamerika.
Hat Franziskus in seinem ersten Jahr bereits die Welt für die Armen verbessern können?
Papst Franziskus ist für mich der erste Punk-Papst, weil seine Heiligkeit der erste Monarch ist, der eine Revolution von oben angezettelt hat. Es gab noch nie einen europäischen Monarchen, der gesagt hat: "Ich habe keinen Bock darauf, ein König zu sein." Franziskus wohnt nicht im apostolischen Palast, er geht in die Mensa essen, er verzichtet auf den gesamten Prunk. Das ist völlig neu. Franziskus bringt einen ganz neuen Denkansatz in den Vatikan, der die Menschen begeistert. Er fragt nicht: "Sind die Menschen gut genug für die Kirche, sondern ist diese Kirche gut genug für die Menschen?"
Wie reagieren die Monsignori und Prälaten auf die Revolution im Vatikan?
Die meisten Kurienkardinäle, die die Kirche regieren, sind schockiert. Er hat viele ihrer Privilegien gestrichen. So gibt es den zwei Monate langen Sommerurlaub nicht mehr im Vatikan und er hat die Gehälter um 25 Prozent reduziert. Mit diesen Maßnahmen macht er sich natürlich auch große Feinde innerhalb der Vatikanmauern. Wenn man einen Gottesmann enttarnen will, der Franziskus hasst, dann erkennt man das am folgenden Satz: "Ich habe alles gelesen, was Franziskus über theologischen Fragen geschrieben hat und ich war schnell fertig damit." Die Kurienkardinäle machen sich über ihn lustig, weil er kein großer Theologe ist. Es gibt viele Kardinäle, die sich fragen: Wie kann der Papst sein? Aber für Franziskus war es wichtiger, Schulen aufzubauen oder Trinkwasser in die Slums zu bringen, als tagelang in der Studierstube zu sitzen.
Welche Revolutionen wird Papst Franziskus in den nächsten Jahren noch bringen?
Ich glaube, es wird ein Nachdenken über die Ehelosigkeit der Priester geben. Die Kirche wird es den Priestern freistellen, ob sie zölibatär leben oder ob sie heiraten wollen. Franziskus hat schon mehrfach gesagt, dass das Zölibat kein Dogma, sondern nur ein Abkommen ist. Paulus sagt im Korintherbrief ganz klar: "Was die Ehelosigkeit der Priester angeht, habe ich keine Weisung vom Herrn." Der Zölibat hat die Kirche im Mittelalter nur eingeführt, um Geld zu sparen. Ein anderes Verbot wird sogar noch in diesem Jahr fallen – die Wiederverheirateten werden Zugang zu den Sakramenten bekommen.
An der Seite des Pontifex
Seit 1987 lebt der deutsche Journalist Andreas Englisch in Rom. Papst Johannes Paul II. begleitete Englisch auf vielen Reisen. Bekannt wurde Englisch, als er den Rücktritt von Papst Benedikt schon ein Jahr davor ankündigte.
In seinem neuen Buch "Franziskus – Zeichen der Hoffnung" (erschienen im C. Bertelsmann-Verlag um 20,50 Euro) deckt Englisch auf, wie sich im Konklave die Machtverhältnisse zugunsten des neuen Papstes verschoben haben und welche Revolutionen Franziskus auslösen wird.
Jubelnde Menschenmassen warten am heutigen Ostersonntag auf dem Petersplatz auf Papst Franziskus. Höhepunkt: der Segen "Urbi et Orbi" (der Stadt und dem Erdkreis), den Franziskus heuer zum zweiten Mal von der Mittelloggia des Petersdoms der Welt spendet. Nach den anstrengenden Osterfeierlichkeiten bleibt dem 77-jährigen Pontifex aber nur eine kurze Verschnaufpause. Denn schon in einer Woche (27. April) findet die größte Doppel-Heiligsprechung in der Kirchengeschichte statt.
Bei einer Riesenzeremonie erhebt Franziskus die beiden populärsten Päpste des 20. Jahrhunderts, Johannes Paul II. und Johannes XXIII., in den Heiligenstand. Rom rechnet mit einem Touristenansturm wie selten zuvor. Mehr als zwei Millionen Besucher aus aller Welt, vor allem zahlreiche polnische Pilger, werden bei dem Großereignis erwartet. Aus feierlichem Anlass werden Metro-Tickets in limitierter Auflage gedruckt, Comics, Bücher und Sonderbriefmarken herausgegeben. Kirchen in Roms Innenstadt bleiben die Nacht vor der Kanonisierung für Besucher zu Gebet und Meditation geöffnet. Der italienische Zivilschutz stellt vier Millionen Wasserflaschen für Pilger bereit. Metro und Busse werden rund um die Uhr im Einsatz sein.
Wundernachweis
Um die gleichzeitige Heiligsprechung der beiden Päpste möglich zu machen, hatte Papst Franziskus bei Angelo Giuseppe Roncalli, wie Johannes XXIII. mit bürgerlichem Namen hieß, überraschend auf einen zweiten Wundernachweis nach dem für die Seligsprechung verzichtet. Bei Karol Wojtyla, dem späteren Johannes Paul II., treffen in der vatikanischen Kongregation für Heilig- und Seligsprechungen noch täglich Briefe ein, in denen Gläubige von seinen Wunderheilungen erzählen. Der polnische Papst ist in liberalen Kirchenkreisen jedoch nicht unumstritten. Im Vorfeld forderten Reformbewegungen wie "Wir sind Kirche", dass auch nach der Heiligsprechung eine kritische Auseinandersetzung mit ihm möglich sein müsse. Johannes Paul II. habe in seinem langen Pontifikat vieles getan, das hohe Achtung verdiene. Doch, so geben die Reformbewegungen zu bedenken: "Mit seinem rückwärtsgewandt-zentralistischen Kirchenbild, seinem unbiblischen Personenkult, Pomp und Klerikalismus wurde Johannes Paul II. deshalb zum widersprüchlichsten Papst des 20. Jahrhunderts."
Wie schon bei der Papstwahl vor über einem Jahr wird das Großereignis von einem riesigen Medienspektakel begleitet. Kamerateams aus aller Welt kämpfen seit Tagen um die besten Plätze. Dank "Public Viewing", wie man es von Sportereignissen kennt, kann man die Live-Zeremonie vom Petersplatz auf 500 Videoleinwänden in 20 Ländern weltweit miterleben. Die Übertragung in 3D-Qualität des vatikanischen TV-Zentrums (in Wien im Millennium City Kino und in Graz im Annenkino live zu sehen) ermöglicht Zusehern das Gefühl, in Rom dabei zu sein. Das Webportal www.2papisanti.org hält in fünf Sprachen auf dem Laufenden. Ein Twitter Account (@2popesaints) wurde eingerichtet.
Gütig, umgänglich, friedfertig und leutselig – so haben Weggefährten, Freunde und Gläubige Papst Johannes XXIII. in Erinnerung. Der Kardinalvikar der Diözese Rom, Agostino Vallini, erinnert sich noch genau an den 28. Oktober 1958, an dem Johannes XXIII. zum Papst gewählt wurde. „Wir haben damals im Priesterseminar die lange Zeremonie am Petersplatz im Fernsehen verfolgt. Die Rede des Papstes sorgte für großen Enthusiasmus, man spürte sofort den Beginn einer neuen Ära für die Kirche.“ Angelo Giuseppe Roncalli, wie der Papst mit bürgerlichem Namen hieß, wurde als Nachfolger von Pius XII. zum 261. Papst der römisch-katholischen Kirche gewählt. Der neue Heilige stammte aus einfachen Verhältnissen aus dem norditalienischen Ort Sotto il Monte, in der Nähe von Bergamo. Der Bauernsohn wurde 1904 zum Priester und 1925 zum Bischof geweiht. „Das Fundament seines Lebens war sein unerschütterlicher Glaube, den er bei seiner Familie gelernt hatte. Er liebte Gott und die Menschen. Als Papst ließ er diese Güte Gottes allen zuteilwerden“, erzählt Kardinal Vallini.
Der gütige Papst
Der Italiener wurde von seinen Anhängern auch "Il Papa buono", der gütige Papst, genannt. Er war in Italien außerordentlich beliebt. Noch heute hängt in zahlreichen italienischen Wohnungen und Geschäften ein Foto von Johannes XXIII. Sein direkter, spontaner Stil erinnert Vatikanbeobachter an Papst Franziskus. Beide würden mit ihrer Einfachheit und Menschennähe überzeugen. Roncallis Amtszeit (1958–1963) dauerte mit vier Jahren und sieben Monaten relativ kurz. Doch er setzte in dieser kurzen Zeit Dinge in Bewegung, die kaum jemand erwartet hatte. Durch seine Einberufung und Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils, mit der er der Kirche den Weg in die Moderne ebnete, wird er weltweit als Konzils-Papst erinnert.
"Das Konzil war ein ganz zentraler Bestandteil im Prozess seiner Heiligsprechung", erklärt Vatikanexperte Alberto Bobbio. "Johannes XXIII. wurde wie auch Johannes Paul II. zu einem globalen Leader." Die Wichtigkeit des Konzils hat Papst Franziskus dazu veranlasst, bei Roncalli auf den Nachweis eines Wunders zu verzichten. Laut Kirchenrecht müsste ein Wunder für die Seligsprechung und ein weiteres für die Heiligsprechung vorliegen. "Das von ihm einberufene Konzil ist ein Markstein der Kirche des 20. Jahrhunderts und ein Leuchtturm für die Zukunft der Kirche", betonte Papst Franziskus. Der Konzils-Papst habe die Kirche "mit milder Bestimmtheit" in einer schwierigen Situation des Umbruchs geleitet. Außerdem, so die katholische Zeitung Avvenire: Das Kirchenvolk verehre ihn ohnehin längst wie einen Heiligen. Wer ihn zu Beginn des Pontifikats als "Übergangspapst" bezeichnete, wurde schnell eines Besseren belehrt. Mit seiner Forderung nach einem "Aggiornamento", einer Modernisierung und Erneuerung in der Kirche, leitete er kirchengeschichtlich eine neue Epoche ein. Als "Papst zum Angreifen" intensivierte er im Gegensatz zu seinem reservierten Vorgänger die Kontakte zu den Gläubigen. Er besuchte viele Pfarren, Gefängnisse, Spitäler. Weltweites Aufsehen erregte er, als er als erster Papst seit 1870 Rom verließ und Wallfahrten nach Assisi und Loreto unternahm. Internationale Wertschätzung erfuhr Roncalli, den Kritiker bisweilen als "naiven Diplomaten" charakterisieren, für seine Friedensbemühungen etwa bei der Kuba-Krise zwischen den USA und der Sowjetunion. Ein Mitarbeiter erinnert sich: "Als die Tochter des damaligen sowjetischen Regierungschefs Chruschtschow zur Audienz kam, begrüßte sie der Papst mit den Worten, er habe für ihre Kinder gebetet - und brach damit das Eis."
Kurz nachdem der Pontifex am 3. Juni 1963 an einem Krebsleiden starb, forderten nicht nur die Konzilsbischöfe, "Papa buono" umgehend zum "Papa santo" (heiligen Papst) zu befördern.
Auf Wunder verzichtet
Nur eine Heilung
Für Selig- und Heiligsprechung ist tugendhafter Lebenswandel und der Nachweis je eines Wunders nötig. Für die Seligsprechung Johannes XXIII. im Jahr 2000 bestätigte eine Ärztekommission ein Wunder – die Heilung einer italienischen Nonne nach einem Magendurchbruch 1966. Auf den Nachweis eines zweiten Wunders hat der Vatikan verzichtet, damit sich die Heiligsprechung mit Johannes Paul II. ausgeht.
Das Ehepaar Dabrowski und ihre fünf Kinder aus dem Warschauer Vorort Jozefowa freuen sich auf die Pilgerfahrt zur Heiligsprechung von Papst Johannes Paul II.. "Wer, wenn nicht wir Polen, soll zur Heiligsprechung kommen?", meint Frau Dabrowska. Rund 500.000 Polen werden am 27. April im Vatikan erwartet, teils werden die Pilgerreisen auf abenteuerliche Weise zurückgelegt – in einer Ritterrüstung auf dem Pferd, zu Fuß, laufend, auf Inlineskatern – eine Huldigung an den einst sportlichen Geistlichen.
Die Beziehung der Polen zu "ihrem Papst" ist eine besondere. Ein Blick auf die Biografie erklärt dies. Als Sohn einer Offiziersfamilie kam Karol Jozef Woytila 1920 in der südpolnischen Kleinstadt Wadowice zur Welt. Seine Vornamen Karol (Karl) und Jozef wurden ihm von den pro-östereichischen Eltern zu Ehren der letzten beiden k.u.k. Monarchen vergeben. Schon als 18-Jähriger nahm er Schauspielunterricht.Geprägt von der deutschen Besatzung entschied er sich jedoch für das Priesteramt, er studierte 1942 an einer Untergrund-Akademie in Krakau Theologie, gleichzeitig war er Zwangsarbeiter in einer Chemiefabrik.
Nach dem Krieg folgte der Stalinismus. "Er war ein Mensch, der durch schwierige Zeiten ging", sagt Pawel Zuchniewicz, Radiojournalist und Autor einiger Papst-Bücher. "Er lehrte uns, dass auch im Totalitarismus nichts die Hoffnung töten kann."
Sein kirchenpolitischer Lehrmeister wurde Stefan Wyszynski, von 1948 bis 1981 Primas von Polen. Wyszynski versuchte mit der kommunistischen Führung einen Deal auszuhandeln – er bezweifelte deren staatliche Autorität nicht, verteidigte jedoch die Identität der Kirche wie seine Schäfchen vor der marxistischen Ideologie. Die KP-Führung warb ihrerseits Geistliche als Spitzel an, um beliebte Priester zu kompromittieren oder gefügig zu machen.
Doch bei Karol Woytila, seit 1964 Erzbischof von Krakau, gelang dies nicht. Aufgrund der erfahrenen Bedrohung der kirchlichen Einheit in Polen ging er seit seiner Berufung als Papst 1978 weltweit kompromisslos gegen jegliche Form des Marxismus vor, so gegen die Befreiungstheologie in Südamerika. Den größten Auftritt hatte er 1979 in Warschau, als er den Massen und dem lieben Gott "Lass Deinen Geist herabsteigen und das Antlitz der Erde erneuern" zurief. Dies galt als Zündung des gesellschaftlichen Umbruchs im kommunistisch regierten Polen. Der gläubige Arbeiterführer Lech Walesa konnte ein Jahr später mit dem Segen des Heiligen Vaters die Massen für die freie Gewerkschaft Solidarnosc begeistern.
Einzige Konstante
Nach dem überstandenen Attentat 1981 wird er für die Polen endgültig zum Heiligen – zum Anfassen. Was auch in den Jahren bis zu seinem Tod am 2. April 2005 an Umbrüchen anstand – Kriegsrecht, Repressionen, Enttäuschungen über die junge Demokratie, soziale Härten, Korruption – der Papst blieb die große Konstante, ein Vertrauensmann, der sich in seinen neun Pilgerfahrten ins Heimatland seinen Landsleute zuwandte, scherzte, ihnen die Leviten las. Auch den EU-Beitritt seines Landes befürwortete er. "Der Papst wollte, dass wir Polen unsere Werte nach Europa tragen", so Zuchniewicz. Den damaligen Staatspräsidenten Aleksander Kwasniewski, einst in der kommunistischen Regierung, förderte er, indem er ihn bei einem Pilgerbesuch 1999 ins Papamobil lud, sodass die Massen auch Kwasniewski zujubelten und ihn ein Jahr später erneut zum Präsidenten wählten. Vier Jahre später unterzeichnete Kwasniewski dann den Beitrittsvertrag.
Das Charisma Johannes Paul II. war legendär. Anna Dabrowska besuchte den Papst 1998 als Studentin mit einer Gruppe junger Leute. "Ich hatte das Gefühl, dass er ganz persönlich zu mir sprach. Er war wie ein Familienmitglied". Die Lücke ist spürbar. Die katholische Kirche in Polen, ohne den polnischen Papst, erscheint heute in der Defensive, es fehlt das Charisma, die Anzahl der Messebesucher geht zurück. Die Themen des polnischen Klerus sind vor allem Verbote, dabei werden Abgeordnete schon mal mit der Exkommunikation bedroht. Ankündigungen, die immer weniger beeindrucken.
Zwei Wunder
"Hab keine Angst"
Als Wunder für die Selig- sprechung 2011 gilt die Heilung der französischen Nonne Marie Simon-Pierre von Morbus Parkinson. Die Heilung von Floribeth Mora Díaz von einem Aneurysma im Gehirn war das zweite Wunder für die Heiligsprechung des Polen: Die 50-Jährige betete während seiner Seligsprechung, hörte im Schlaf die Worte „Steh auf, hab keine Angst“ und war geheilt.
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