Schönborn als neuer Papst in "Poleposition"
Buchmacher geben ihm nur eine geringe Chance. 25:1 ist die Quote für den Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn im Rennen um den Heiligen Stuhl. In italienischen Medien wird der Wiener Kardinal am Dienstag bemerkenswert gleichklingend als einer der Favoriten für die Papst-Nachfolge beschrieben. Allen voran der Vatikanexperte von La Repubblica, Marco Ansaldo, zählt Schönborn zum engsten Favoritenkreis. Christoph Schönborn ist nach den Worten des Vatikan-Insiders in „Poleposition“.
„Unter den ausländischen Kandidaten fällt die erste Wahl sicher auf Kardinal Christoph Schönborn“, so Marco Ansaldo in einem Online-Interview mit der eigenen Zeitung. Nach den Erfahrungen mit Joseph Ratzinger „könnte er genau in das Profil passen“, nach dem man suche. Aber natürlich gebe es noch viele andere Kandidaten. Die Zeitung Sole 24 Ore führt vor allem Schönborns Führung der „innovativen und kämpferischen“ österreichischen Kirche an, die Rom offen wegen der „Beschlüsse bezüglich der Piusbrüder kritisiert hat“.
Auch wenn Benedikt XVI. an der Wahl an sich nicht teilnehmen wird, so darf sein Einfluss auf seine eigene Nachfolge allen Einschätzungen nach zu urteilen, nicht unterschätzt werden. Als durchaus entscheidend werden daher Nähe sowie Distanz zum scheidenden Papst beurteilt. Marco Ansaldo: „Das Spiel wird zwischen den Schülern Ratzingers Schönborn und Scola sowie den anderen entschieden.“
Ratzinger-Schüler
Aber auch der Corriere della Sera verweist letztlich auf einen Punkt, der den Ausschlag geben könnte: Eben, dass Schönborn ein Schüler Ratzingers gewesen sei. Einer aber, der als „ausgewogener Reformer“ eingeschätzt wird und im Kampf gegen Kindesmissbrauch sogar die alte Garde in der Kurie offen kritisiert habe.
Ähnlich klingt die Beurteilung von La Stampa, die Schönborn als „erprobten Ratzinger-Mann“ beschreibt – worin erprobt, lässt die Zeitung offen. Zugleich spielt sie auf die österreichischen Kirchen-Querelen an: Schönborn sei „zwar konservativ in der Kirchendoktrin“, zugleich „im Hinblick auf den Dialog mit den fortschrittlichsten Flügeln der österreichischen Kirche aber offen.“
Der österreichische Pastoraltheologe und Pfarrer, Paul M. Zulehner (73), zählt zu den bekanntesten Religionssoziologen Europas. Der KURIER bat ihn zum Interview.
KURIER: Wie geht es weiter mit der katholischen Kirche? Hat ein Afrikaner eine echte Chance, nächster Papst zu werden?
Paul M. Zulehner: Auf jedem Kontinent gibt es Kandidaten, die jederzeit diese Aufgabe übernehmen könnten. Die katholische Kirche ist eine Weltkirche, und daher muss auch symbolisch irgendwann ein Papst von außerhalb Europas kommen.
Jetzt?
Es ist an der Zeit, und ich hoffe, dass sich die Kardinäle das auch trauen. Ich rechne schon damit, dass es jemand aus Afrika, Südamerika oder Asien wird. Also jemand von der südlichen Weltkugel. Dort ist auch die katholische Kirche am stärksten. Ich glaube nicht, dass ein Europäer gewählt wird. Daher nehme ich auch nicht an, dass Kardinal Schönborn Papst wird.
Wer ist Ihr Favorit?
Kardinal Peter Turkson aus Ghana wäre zum Beispiel gut geeignet. Er ist Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden. Er weiß um die sozialen und gesellschaftlichen Probleme, die sich stellen. Oder der Kardinal von Honduras. Aber zuerst sollen die Kardinäle in einer Art Generaldebatte klären, wie es weitergehen soll. Es geht um langwierige und schwierige Entscheidungen mit riesigen Auswirkungen für die Welt. Die Kirche muss sich fragen, wo sie im kulturellen und sozialen Dialog steht. Etwa zur Armut, der Frage der Gerechtigkeit, der Finanzkrise, der Frauen-Frage, Scheidung oder dem Priestermangel. Erst wenn diese Fragen und damit der künftige Kurs geklärt sind, dann sollten die Kardinäle denjenigen zum Papst wählen, der am meisten davon versteht. Jeder Konzern geht so vor. Und die katholische Kirche ist der größte Player auf der Weltbühne.
Was sagen Sie zum Rücktritt von Benedikt XVI.?
Ich habe einen Mordsrespekt vor dieser Entscheidung. Das ist wahre Größe, nicht Fahnenflucht. Er hat das Amt modernisiert, dieses übermenschliche Amt auf eine menschliche Größe zurückgeschnitten. Das gilt nun.
Wie beurteilen Sie das Pontifikat von Benedikt XVI.?
Dafür ist es wahrscheinlich noch zu früh. Er gehört in die Reihe der Päpste der schwierigen Nach-Konzilszeit. (Das 2. Vatikanische Konzil 1962–1965 brachte eine Öffnung der katholischen Kirche zur Moderne; Anm.) Ich glaube, dass er davon ausging, dass sich die Kirche zu weit gegenüber der modernen Welt geöffnet hat. Und das habe zur veritablen Krise der katholischen Weltkirche in der westlichen Gesellschaft geführt, die er miterleben musste. Der Papst wollte manche Entwicklungen stoppen oder verlangsamen.
Welche konkret?
Für ihn hat sich die Kirche zu weit gegenüber den modernen Ideen geöffnet. Denken Sie an die Frage der Sexualität, die Frauen-Frage, Scheidung. Es gibt massiven Druck innerhalb der Kirche in all diesen Fragen. Auch die Anliegen der Pfarrer-Initiative rund um Helmut Schüller sind auf seinem Schreibtisch gelandet. Benedikt wollte eine moderate Schließung der Türen und Fenster.
Gehört dazu auch die Rückkehr zur lateinischen Messe?
Das Geheimnisvolle, das Edle, Geweihte – das ist Teil der katholischen Kirche.
Worum ging es Benedikt?
Benedikt war einer der größten Theologen auf dem Papstthron. Er wollte sich auf das Wesentliche beschränken: die Nähe des Menschen zu Gott. Um das Wesentliche geht es auch in seinen drei Enzykliken: Liebe, Hoffnung, Glaube. Er war ganz klar. Ich meine, dass er die Herzen der Menschen erreicht hat.
Nur einen Tag nach der überraschenden Rücktrittsankündigung von Papst Benedikt XVI. läuft das Rätselraten, wer der nächste Papst wird, bereits auf Hochtouren. Die Spekulationen über „papabili“, also denkbare Kandidaten für den Stuhl Petri, haben in Rom Tradition. Der Vatikanexperte der römischen Tageszeitung La Repubblica, Marco Ansaldo, ist überzeugt: „Kardinal Schönborn könnte eine erste Wahl unter den ausländischen Papst-Kandidaten sein.“
Für Vatikanexperten Marco Politi gibt es zwei mögliche Namen, die in die engere Wahl kommen: „Es könnte Kardinal Angelo Scola der Nachfolger Ratzingers werden oder auch der Präfekt der Bischofskongregation, Kardinal Marc Ouellet.“ Gute Chancen werden weiters den beiden Afrikanern, dem ghanesischen Kardinal Peter Turkson und dem nigerianischen Kardinal Francis Arinze, eingeräumt. De Lateinamerikaner Oscar Maradiaga und Leonardo Sandri gelten ebenfalls als Favoriten für die Papst- Nachfolge.
Abgeschottet
Auf wen die Wahl tatsächlich fällt, werden die 118 wahlberechtigten Kardinäle beim Konklave im Vatikan ab Mitte März entscheiden. Während der Papstwahl bleiben die Teilnehmer von der Außenwelt abgeschottet. Man will so die Wahl vor politischen und medialen Einflüssen schützen. Während des Konklaves leben die Kardinäle im Gästehaus des Vatikans. An der Papstwahl nehmen 28 Kardinäle aus Italien teil, 34 Purpurträger kommen aus anderen europäischen Ländern, 19 aus Süd- und 14 aus Nordamerika, jeweils elf aus Afrika und Asien sowie einer aus Ozeanien. Insgesamt 67 Kardinälen wurde die Kardinalswürde während der knapp achtjährigen Amtszeit von Benedikt XVI. verliehen. Dabei achtete der Papst genau, dass sie treu und konservativ hinter der Lehre der katholischen Kirche stehen. Viele plädieren dafür, endlich einen Papst aus Lateinamerika, Afrika oder Asien an die Macht kommen zu lassen. Immerhin stammen 28 Prozent aller Katholiken aus Süd- und Mittelamerika, 15 Prozent der Gläubigen sind Afrikaner.
Auch die Spekulationen über den „wahren“ Gesundheitszustand des Papstes“ reißen in Rom nicht ab. Der Papst musste vor drei Monaten einen Eingriff am Herzen vornehmen lassen, von dem allerdings nichts an die Öffentlichkeit drang. Die Herzoperation, bei dem ihm die Batterie seines Herzschrittmachers ersetzt wurde, bezeichnete Papstsprecher Pater Federico Lombardi als „absoluten Routineeingriff“. Größere gesundheitliche Beschwerden schloss Lombardi am Dienstag jedoch aus.
Auch die Vatikan-Insiderin Giovanna Chirri weiß nichts von einer Krankheit. Ihr sei nur ein kleiner Schlaganfall bekannt, den Joseph Ratzinger noch vor seiner Wahl zum Papst erlitten hatte. Chirri landete am Montag übrigens den „Scoop“ ihres Lebens. Die Journalistin der italienischen Nachrichtenagentur Ansa war die Erste, die vom Rücktritt des Papstes berichtete. „Ich hatte weiche Knie und war zuerst nicht sicher, ob ich es richtig auf Latein verstanden habe, obwohl der Papst ein sehr einfach zu verstehendes Latein spricht“, beschreibt Chirri den emotionalen Moment.
Papst Benedikt XVI. wird sich von allen Gläubigen bei seiner letzten Generalaudienz auf dem Petersplatz am 27. Februar verabschieden. „Der Papst erlebt mit großer Ruhe diese Stunden. Sein Beschluss war gut überlegt“, betonte Lombardi.
Böse Omen
Ein weiteres Vorzeichen ereignete sich erst vor wenigen Wochen, als aus der päpstlichen Wohnung eine weiße Taube entflog und kurz darauf von einer aggressiven Möwe in die Enge getrieben wurde. Auch der Angriff auf die Friedenstaube, sei als ein „rational nicht erklärbares Ereignis, das sich zwischen Himmel und Erde abspielte“, als böses Omen zu erkennen.
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