USA

Gedenktag überschattet: Polizist tötet schwarzen Teenager

Vor 50 Jahren folgte auf brutalen Polizeieinsatz das Wahlrecht für alle Amerikaner - neuerlicher Vorfall in Madison.

In die Liste tödlicher Polizeigewalt gegenüber Schwarzen in den USA muss wieder ein Name eingetragen werden: Tony Robinson. Der 19 Jahre alte Highschool-Absolvent wurde Freitagabend in Madison (US-Bundesstaat Wisconsin) von einem Polizisten erschossen.

Nach Darstellung des örtlichen Polizeichefs hatte der Teenager den Verkehr gestört und Fußgänger geschlagen, berichtet WMTV. Er habe sich auch mit dem Polizisten, der ihn zur Rede gestellt habe, einen Streit geliefert. Der mit einem Schuss des Polizisten endete – und einer spontanen Demonstration empörter Amerikaner. Sie zogen zum Ort des Verbrechens und riefen: "Wem kannst du trauen? Der Polizei nicht." Der Teenager war laut Medienberichten unbewaffnet und soll in seiner Wohnung von den Beamten erschossen worden sein.

Und das ausgerechnet am Vorabend des 50-Jahr-Gedenkens an den "Bloody Sunday", an dem weiße Polizisten in der Stadt Selma am 7. März 1965 friedlich demonstrierende Schwarze niedergeknüppelt haben. Am Jahrestag besuchte Barack Obama, der erste afroamerikanische US-Präsident, Selma.

Alles, was die Menschen vor 50 Jahren wollten, war das Wahlrecht. Am 7. März, einem Sonntag, zogen daher 600 Schwarze ihre besten Kleider an und machten sich auf den Weg von Selma ins 80 Kilometer entfernte Montgomery, der Hauptstadt von Alabama. Doch sie kamen nicht weit. Sie wurden von weißen Mitbewohnern beschimpft und bespuckt; auf einer Brücke wartete die berittene weiße Südstaatenpolizei. Als sich die Bürgerrechtsaktivisten weigerten, ihren Marsch abzubrechen, setzte die Polizei Tränengas ein. Inmitten der Tränengaswolken schlugen die Polizisten mit ihren Knüppeln die fliehenden und schutzlosen Menschen nieder.

Wendepunkt für die Bürgerrechtler

"Ich dachte, ich würde auf dieser Brücke sterben", erinnert sich der heute 75-jährige Bürgerrechtler John Lewis. Dutzende Menschen wurden verletzt, einige schwer. Das Fernsehen war dabei, ein Aufschrei der Empörung war die Folge – und ein Wendepunkt für die Bürgerrechtsbewegung. Zwei weitere, viel größere Märsche mit Martin Luther King an der Spitze folgten noch im März. US-Präsident Lyndon B. Johnson versprach ein Gesetz, das jedem Amerikaner das Wahlrecht garantiert: Das Wahlrechtsgesetz, der Voting Rights Act, trat im August 1965 in Kraft.

Der Hollywoodfilm "Selma" erinnert daran. "Selma ist jetzt, weil der Kampf für Gerechtigkeit jetzt ist", wies der Sänger John Legend bei der jüngsten Oscar-Verleihung auf die noch immer bestehende – und immer wieder tödliche – Diskriminierung hin: "Marschiert weiter!"

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