Unterhaltspflicht auch bei "Rabeneltern"

Muss auch ein verstoßener Sohn für seinen Vater die Heimkosten zahlen? Ja, lautet ein Urteil.

Auch ein zurückgewiesener Sohn muss für seinen Vater Unterhalt zahlen: So hat es der deutsche Bundesgerichtshof in einem Aufsehen erregenden Urteil entschieden. Nun tobt im Land eine heftige Debatte, denn das Grundsatzurteil könnte sich auch auf andere Fälle auswirken. Im konkreten Fall hatte die Stadt Bremen einen heute 62-jährigen Beamten auf Erstattung von Heimkosten geklagt. Der Mann muss nun 9000 Euro für den Aufenthalt seines mittlerweile verstorbenen Vaters in einem Pflegeheim zahlen.

Scheidungskind

Der betreffende Mann ist immer noch schockiert über das Verhalten seines Vaters: Dieser hatte vor rund 40 Jahren rüde und einseitig den Kontakt zu seinem damals 18-jährigen Sohn abgebrochen. Nach der Scheidung der Eltern im Jahr 1971 hatten Vater und Sohn zunächst noch losen Kontakt. Doch bereits das bestandene Abitur des Sohnes ein Jahr später war dem Vater nur ein Achselzucken wert, wie der Beamte aussagte. Versuche des Sohnes, in den folgenden Jahren wieder Kontakt aufzunehmen, wehrte der Vater, ein Friseur, stets ab. 1998 setzte er schließlich seine Lebensgefährtin als Erbin ein und enterbte sein Kind bis auf den sogenannten strengsten Pflichtteil.

Der bloße Kontaktabbruch gegenüber einem erwachsenen Kind sei zwar eine Verfehlung, urteilte der BGH. Es müsste jedoch mehr dazu kommen, damit der Anspruch auf Elternunterhalt verwirkt sei und damit nicht bestehe. Eine solche "schwere Verfehlung" sahen die Richter im vorliegenden Fall nicht.

Der Vater habe sich in den ersten 18 Lebensjahren um sein Kind gekümmert und damit in einer Zeit, in der eine besonders intensive elterliche Fürsorge erforderlich sei. Damit habe er seinen Elternpflichten im Wesentlichen genügt. Auch das Testament stelle keine Verfehlung dar , weil der Vater nur von seinem Recht auf Testierfreiheit Gebrauch gemacht habe. Es gebe also keinen Grund, warum der Sohn nicht unterhaltspflichtig sein sollte, so das Urteil.

Die Richter gaben damit der Stadt Bremen recht, die die 9000 Euro von dem Beamten eingefordert hatte. Die Stadt hatte die Heimkosten übernehmen müssen, nachdem die geringe Pension des Vaters dafür nicht mehr ausgereicht hatte.

In den Vorinstanzen hatte das Amtsgericht zunächst dem Antrag der Stadt Bremen stattgegeben. Das Oberlandesgericht hatte dagegen geurteilt, der Anspruch auf Elternunterhalt sei verwirkt. Damit landete der Fall beim Bundesgerichtshof.

Weitreichende Folgen

Das Urteil könnte weitreichende Folgen haben, denn in Deutschland leben immer mehr Menschen, deren Pflege bezahlt werden muss, schreibt die Welt online. Die Leistungen der Pflegeversicherung decken meist nur einen kleinen Teil der hohen Kosten in Pflegeheimen. Und es gibt immer mehr Scheidungskinder, die keinen Kontakt mehr zu einem Elternteil haben – und sich fragen, warum sie dann später Unterhalt zahlen sollen, so der Bericht.

Und auch nach dem BGH-Urteil ist größtenteils unklar, wie es mit dem Elternunterhalt aussieht, wenn Vater oder Mutter den Kontakt zu einem minderjährigen Kind abgebrochen haben. Denn bisher gab der BGH 2004 nur einer Frau recht, die keinen Unterhalt zahlen wollte: Sie war als Einjährige von ihrer Mutter verlassen worden.

Wie viel Kinder für ihre im Pflegeheim untergebrachten Eltern bezahlen müssen, hängt in Österreich immer noch an der Postleitzahl. Die Pflege fällt in die Zuständigkeit der Bundesländer, die Regeln für die Finanzierung sind daher durchaus unterschiedlich.

Der für Kinder wesentlichste und nun in Deutschland debattierte Punkt, der Pflege-Regress (s. o.), gilt vorerst nur in der Steiermark. Nur hier ist es vorgesehen, dass sich die öffentliche Hand einen Teil jener bis zu 3600 Euro, die ein Heimplatz in der Steiermark pro Monat kostet, von den Kindern zurückholt.

Wie funktioniert das in der Praxis? Zunächst wird überprüft, welches Einkommen der zu Pflegende hat. Vom Pflegegeld werden 80 Prozent einbehalten (Rest ist Taschengeld), auch eine allfällige Pension bzw. Ersparnisse werden verwertet.

Reicht das nicht und ist auch kein Eigenheim vorhanden, bei dem der Sozialhilfeverband ins Grundbuch gehen könnte, entsteht Regresspflicht für die Kinder.

Dieser Beitrag ist sozial gestaffelt und auf das (Lohn-) Einkommen beschränkt – allfälliges (Bar-)Vermögen der Kinder wird nicht herangezogen. Wer arbeitslos ist oder weniger als 1500 Euro netto verdient, ist ebenfalls nicht regresspflichtig.

Wie hoch sind die Kosten? Wer 1500 Euro verdient, bezahlt 4 Prozent Regress – also 60 Euro im Monat. Dieser Betrag erhöht sich je 100 Euro Einkommen um ein halbes Prozent, ab 2700 Euro sind 10 Prozent fällig.

In den restlichen acht Bundesländern kommt es nur in Ausnahmefällen zum Regress, nämlich dann, wenn zu Pflegende ihr (Bar-)Vermögen kurz vor dem Wechsel ins Heim an Kinder weitergegeben haben. Je nach Bundesland ist das Rückgriffsrecht hier unterschiedlich.

In manchen Ländern gelten drei, in anderen fünf Jahre Rückgriffsrecht. Und in Vorarlberg kann die öffentliche Hand sogar auf Vermögen zugreifen, das zehn Jahre vor der Pflegebedürftigkeit an die Kinder übergeben wurde.

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