Stirbt der Circonflexe? Aufschrei unter Sprachpuristen

Oh mon Dieu! Franzosen vereinfachen ihre Schrift - Entrüstung folgt auf dem Fuße.

Dem deutschsprachigen Raum ist die Aufregung wohlbekannt. Die jüngste Rechtschreibreform im Jahr 1996 (mit weiteren Änderungen 2004, 2006 und 2011) hat auch hierzulande oft für Kopfschütteln gesorgt.

Nun will auch Frankreich seine Orthografie vereinfachen, um Unregelmäßigkeiten auszubügeln und Schulkindern den Schrifterwerb zu erleichtern. Die Folge: der Hashtag #JeSuisCirconflexe. Frankreichs Patrioten, Sprachpuristen und viele Internautes ergießen sich in Shitstorms über die altehrwürdige Académie Française und Verantwortlichen, die die Mörder des "Accent Circonflexe" sein sollen.

Die von ihr empfohlenen Neuerungen betreffen rund 2400 Wörter der französischen Sprache - und oftmals ist der bei heimischen Schülern gefürchtete, bei Franzosen aber beliebte Accent (ˆ - das kleine Dach) ein vermeintliches Opfer der Reform. So fällt er nun öfter weg über i und u, nicht aber über a und o (so wird etwa Paraître zu paraitre). Auch soll vieles nur vereinfacht werden: Bindestriche innerhalb von Wörtern sollen entfallen (Week-end wird zu weekend) sowie die Schreibweise angepasst werden. Nun dürfen etwa die Schüler statt "oignon" (Zwiebel) auch "ognon" schreiben.

"Die Seele!"

Keine Revolution, sollte man meinen. Hinzu kommt auch, dass die Vorschläge schon im Jahr 1990 von der Académie beschlossen wurden. Verbindlich ist die neue Schreibweise auch jetzt nicht - und war sie auch nie. Es sind lediglich Empfehlungen, die nun in Schulbüchern stärker hervorgehoben werden.

"Seit mindestens einem Jahrzehnt wird diese neue Orthografie in den Schulbüchern für die Volksschule angewandt", wird die Leiterin des Schulbuchverlags Belin, Sylvie Marcé, von französischsprachigen Medien zitiert. "Neu ist, dass es explizitere Hinweise darauf gibt." Die Wörterbücher sollen beide Schreibweisen anführen, die Lehrer akzeptieren auch beide im Hausaufgabenheft. Zudem wurde die Reform von 1990 bereits 2008 und 2015 nochmals hervorgekramt und zur Wiederbelebung in öffentlichen Kundmachungen publiziert.

Doch niemand schien davon Notiz zu nehmen - bis zu einem TV-Bericht im Sender TF1. Darauf folgte ein Aufschrei einer konservativen Studentengruppe, die Bildungsministerin Najat Vallaud-Belkacem bezichtigte, die französische Sprache willentlich zerstören zu wollen. Sofort sprang der Front National auf den Zug auf, Parteivize Florian Philippot betonte laut Guardian, die "französische Sprache ist unsere Seele". Das Ministerium rückte aus, um zu kalmieren, der Accent Circonflexe würde nicht verschwinden. Doch es war schon zu spät, die Entrüstung war bereits in den sozialen Medien angekommen.

Eine Kostprobe der Reaktionen im Netz können Sie hier sehen:

Kommentare