Protest gegen Polenfeindlichkeit in London
Der gewaltsame Tod eines Polen in Großbritannien sowie viele Übergriffe empören die polnische Regierung. Polen stuft die Taten als fremdenfeindlich ein. Zwei Minister flogen nun eilends nach London: Außenminister Witold Waszczykowski und Innenminister Mariusz Blaszczak verlangten bei ihren Amtskollegen mehr Schutz polnischer Bürger in Großbritannien.
Am 27. August wurde Arkadiusz Jozwik, ein 40-jähriger polnischer Familienvater, von einer Teenagerbande in Harlow bei London totgeprügelt. Am vergangenen Wochenende wurden im gleichen Ort vor einem Pub zwei Polen von einer Gruppe niedergeschlagen. "Wir wollen nachfragen, inwieweit die Ermittlungen vorangekommen sind", so Mariusz Blaszczak. Die Taten haben in der polnischen Öffentlichkeit für große Aufmerksamkeit gesorgt. Im Falle des Getöteten ermittelt derzeit die Warschauer Staatsanwaltschaft in Harlow, nach polnischem Recht müssten die britischen Angreifer auch vor einem polnischen Gericht stehen.
Nachdem Großbritannien im Juni entschieden hat, die EU zu verlassen, häufen sich verbale wie körperliche Übergriffe gegen Polen. Diese machen die größte Gruppe von Arbeitsmigranten aus, die nach der EU-Erweiterung 2004 auf die Inseln kamen. Es sollen rund 800.000 sein.
Widersprüchliche Signale
Aus London kommen derzeit widersprüchliche Signale zum Thema Arbeitsmigration. Bei seinem Besuch in Warschau am Samstag lud der britische Außenminister Boris Johnson polnische Bürger weiterhin ein, nach Großbritannien zu kommen. Premierministerin Theresa May schlägt jedoch andere Töne an. Die konservative Politikerin erklärte: "Die Briten haben uns sehr klar mitgeteilt, dass sie keine Freizügigkeit im Personenverkehr mehr wünschen, wie es bisher gehandhabt wurde." Ein Bleiberecht der Polen macht May von den künftigen Rechten britischer Bürger in den EU-Staaten abhängig. Ein Punktesystem wie in Australien lehnte May am Montag ab – denn somit käme jeder hinein, der den Kriterienkatalog erfülle. 2012 hatte May in ihrer Funktion als Innenministerin die Schaffung einer "wirklich feindseligen Umgebung" in Großbritannien als Ziel definiert, um die illegale Immigration zu vermindern.
David Davis, der Brexit-Minister in London, erklärte, Aufenthaltssicherheit sollten nur diejenigen erhalten, die schon „bis zu einer gewissen Zeit im Land“ wären – ohne dies zu präzisieren.
Als Argumente gegen die Osteuropäer werden von vielen Briten der Verlust von Arbeitsplätzen und Identität angegeben. 74 Prozent der Polen fürchten sich laut Umfragen vor weiteren Animositäten, doch 79 Prozent wollen nicht in ihr Land zurück – das Lohngefälle ist deutlich.
Heikle Beziehung
Eine Verschlechterung der diplomatischen Beziehungen können sich beide Länder derzeit nicht leisten. Großbritannien benötigt Polen, beziehungsweise die gesamte Visegradgruppe, wozu noch Tschechien, Ungarn und die Slowakei gehören, als Verbündete. Die ebenfalls EU-skeptischen Länder sollen sich in Brüssel für einen weiteren Zugang der Briten zu den EU-Märkten stark machen. Und die mittelosteuropäischen Länder bauen auf den Handelspartner Großbritannien.
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