Empörung nach mildem Urteil

Oscar Pistorius wurde der fahrlässigen Tötung schuldig gesprochen. Er bleibt gegen Kaution in Freiheit.

Schuldig der fahrlässigen Tötung", entschied Richterin Thokozile Masipa in ihrem Urteil gegen Sprintstar Oscar Pistorius. Nachlässig und unnötig gewaltsam habe er gehandelt, als er seine Freundin Reeva Steenkamp, 29, durch die geschlossene Badezimmertür erschoss – aber ein Mörder sei er nicht. Im zum Bersten gefüllten Gerichtssaal in Pretoria schüttelten viele empört den Kopf.

Die Richterin argumentierte, die Anklage habe nicht widerlegen können, "dass Pistorius wirklich glaubte, es sei ein Einbrecher im Haus". Der beinamputierte Sportstar hatte beteuert, aus Angst vor einem Eindringling geschossen zu haben. Erst nach den vier Schüssen habe er festgestellt, dass seine Freundin nicht im Bett gelegen sei.

Den Schuldspruch nahm der 27-jährige einstige Paralympics-Star ohne erkennbare Gefühlsregung auf. Er schien sich vor der Richterin zu verbeugen. Am Vortag war er im Gerichtssaal laufend von Weinkrämpfen geschüttelt worden.

Die Eltern des Opfers trugen das Urteil gefasst. Reevas Mutter June Steenkamp tröstete schluchzende Familienmitglieder: "Ihr müsst nicht weinen", sagte sie. Reevas Vater Barry Steenkamp verließ den Gerichtssaal mit hängenden Schultern.

In Südafrika zeigten sich viele Menschen empört über die Milde der Richterin: "Das Urteil zeigt: Wenn jemand in diesem Land Geld hat, dann steht er über dem Gesetz", meint Jason Fernandes, 33. "Wenn Oscar so arm wäre wie alle anderen, dann wäre er des Mordes für schuldig befunden worden."

Gewalt gegen Frauen

Die 27-jährige Tandi Botha befürchtet, dass die Entscheidung anderen Männern eine Rechtfertigung für Gewalt gegen Frauen geben könnte. "Missbrauch von Frauen ist ein großes Problem in Südafrika", sagte sie. "Jetzt können Männer ihre Freundinnen erschießen und erklären, sie hätten gedacht, es sei ein Einbrecher im Haus – und schon werden sie vom Vorwurf des Mordes freigesprochen." Das sei ein schlechter Präzedenzfall.

Trotz seiner Verurteilung darf Pistorius bis zur Verkündung des Strafmaßes gegen Kaution in Freiheit bleiben. Damit setzte sich sein Verteidiger gegenüber der Staatsanwaltschaft durch, die sich gegen eine Verlängerung der Kaution ausgesprochen hatte. Das Strafmaß soll ab 13. Oktober verkündet werden. Die Höchststrafe für fahrlässige Tötung liegt bei 15 Jahren, aber auch eine Bewährungsstrafe ist möglich.

Für die Staatsanwaltschaft ist das Urteil eine schwere Niederlage, denn aus Sicht der Anklage tötete Pistorius seine Freundin absichtlich. Bis zur Bekanntgabe des Strafmaßes können noch Gründe entweder für eine besonders hohe Strafe oder für mildernde Umstände vorgelegt werden.

Pistorius wäre im Falle einer Haftstrafe wohl kein Gefangener wie jeder andere. Laut Experten würde er ein recht komfortables Leben führen. Wahrscheinlich würde er seine Strafe in einem Gefängnis in oder nahe bei Pretoria absitzen, wo er lebt, sagte der Strafrechtler Lovell Fernandez. Privilegien wie besseres Essen oder Sportmöglichkeiten hält Fernandez für möglich.

Der "schnellste Mann ohne Beine"

Nach dem milden Urteil gegen Oscar Pistorius wegen fahrlässiger Tötung sind viele Südafrikaner verärgert, seine Familie ist hingegen erleichtert. Einige Zitate:

"Das hat eine große Last von unseren Schultern genommen. Das wird Reeva nicht zurückbringen, aber unsere Gedanken sind bei ihrer Familie und ihren Freunden." (Arnold Pistorius, der Onkel von Oscar Pistorius)

"Es handelt sich um ein umstrittenes Urteil, das in der Bevölkerung für Wut gesorgt hat. Selbst Juristen finden die Entscheidung seltsam. Es scheint überraschend, dass die Richterin dazu bereit war, Oscars Version vom Tathergang zu glauben, obwohl sie ihn zuvor als schlechten Zeugen kritisiert hatte." (Lovell Fernandez, Professor für Strafrecht in Kapstadt)

"Viele Menschen hatten mit einem härteren Urteil gerechnet, und sie sind aufgebracht und wütend. Wenn jemand vier Mal durch eine Tür schießt, wie kann er dann sagen, er konnte nicht vorhersehen, dass er dabei jemanden töten könnte?" (Keith Gess, südafrikanischer Strafrechtler)

"Das Verfahren ist noch nicht beendet, wir warten noch auf das Strafmaß. Erst danach können wir unsere Möglichkeiten abwägen und schauen, ob es weitere Schritte geben kann." (Nathi Mncube, Sprecher der Staatsanwaltschaft)

"Das Urteil zeigt eins ganz deutlich: Wenn jemand in diesem Land Geld hat, dann steht er über dem Gesetz. Wenn Oscar so arm wäre wie alle anderen, dann wäre er des Mordes für schuldig befunden worden." (Jason Fernandes, Bürger aus Johannesburg)

"Missbrauch an Frauen ist ein großes Problem in Südafrika. Jetzt können Männer ihre Freundinnen erschießen und erklären, sie hätten gedacht, es sei ein Einbrecher im Haus - und schon werden sie vom Vorwurf des Mordes freigesprochen." (Tandi Botha, Bürgerin vor dem Gericht in Pretoria)

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