Papst Franziskus: "Mein Pontifikat wird kurz sein"
Als der Papst "vom anderen Ende der Welt" vor genau drei Jahren, am 13. März 2013, ernannt wurde, waren die Hoffnungen auf einen Wandel in der Kirche groß. Sein Einsatz für Arme, seine Kapitalismuskritik und sein offenes Auftreten brachten Franziskus rasch Sympathien ein.
Wer sich allerdings eine Öffnung der kirchlichen Ehe- und Sexualmoral erwartet hatte, wurde enttäuscht. Der 79-jährige Franziskus hat nun laut Statistik fast die Hälfte seines Pontifikats hinter sich. "Ich habe das Gefühl, dass mein Pontifikat kurz sein wird. Vier oder fünf Jahre", erklärte Franziskus.
Ist seine Gesundheit angeschlagen? Hat er Heimweh nach Argentinien? Warum hat der Vatikan bisher noch keine päpstlichen Reisen für das Jahr 2017 bestätigt? All das gibt Anlass zu Spekulationen über ein vorzeitiges Abdanken des Pontifex. Der KURIER sprach mit Franca Giansoldati, "Vaticanista" der Zeitung Il Messaggero, die den Papst aus nächster Nähe kennt und auf vielen seiner Reisen begleitet.
KURIER: Franziskus hat gestanden, er hätte das Gefühl, sein Pontifikat dauere nur kurz. Plant er seinen Rücktritt?
Franca Giansoldati: Papst Franziskus hat nie einen Rücktritt ausgeschlossen, falls er eines Tage nicht mehr in der Lage sein sollte, die Last seines Amtes zu erfüllen. Auf einer Reise hatte er einmal vor Journalisten erklärt, dass Benedikt mit seinem Rücktritt neue Wege eröffnet hätte. Persönlich glaube ich aber nicht, dass Papst Franziskus einen Rücktritt plant. Dazu hat er noch zu viele Projekte vor. Außerdem lebt Joseph Ratzinger noch und zwei emeritierte Päpste erscheinen mir etwas viel.
Wie fällt Ihre Bilanz nach drei Jahren Franziskus aus?
Ich persönlich bin von diesem Papst begeistert. Auch wenn noch viele Punkte unklar sind. Franziskus wollte von Beginn an eine Kirche der Armen. Er hat sofort bei sich selbst begonnen und den goldenen Fischerring abgestreift sowie die teuren roten Schuhe seines Vorgängers verbannt. Limousinen wurden gegen Gebrauchtwagen getauscht. Er versucht die Kirche von innen zu ändern und hat dabei mit äußerlichen Dingen begonnen. Wer den schwerfälligen Apparat der römischen Kurie kennt, weiß, wie schwierig es ist, Veränderungen durchzusetzen. Aber der erste Schritt ist gemacht, auch wenn es noch eine Generation dauern kann.
Sie haben anfangs die unklaren Punkte erwähnt.
Da wäre zum einen die Rolle der Frauen. Ich hätte mir erwartet, dass er viel mehr Frauen in verantwortungsvolle Positionen holen wird. Ich rede hier nicht von weiblicher Priesterschaft. Aber bis heute erhielten lediglich zwei Frauen eine Führungsposition. Francesca Chaouqui, die einzige Frau in der Finanz-Prüfungskommission, steht mittlerweile in der Affäre Vatileaks 2.0 im Vatikanstaat vor Gericht. Zur Direktorin des neuen vatikanischen Mediensekretariats wurde vor Kurzem die slowenische Theologin Natasa Govekar ernannt.
Auch beim Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen und Homosexuellen in der Kirche gibt es Enttäuschungen.
Ich habe von Anfang an gesagt, dass Franziskus zwar liberal auftritt, aber, was die Kirchenlehre betrifft, keineswegs progressiv ist. Sicher hat sich durch das päpstliche Leitmotiv "Barmherzigeit" der Umgang etwa mit Geschiedenen geändert.
Wie beurteilen Sie seine Maßnahmen gegen Pädophilie?
Sehr enttäuscht war ich auf der Mexiko-Reise, als der Papst die zahlreichen Missbrauchsopfer des Legionäre-Christi-Gründers nicht empfing. Der mexikanische Ordensgründer Maciel hat jahrzehntelang Minderjährige missbraucht. Der Vatikan hat zu diesem Riesenskandal stets geschwiegen.
Kommen wir zu den positiven Seiten – etwa Papst Franziskus’ Einsatz für Flüchtlinge.
Das Problem ist, dass ihm viele nicht folgen. Ich erinnere mich an die sehr scharfe Rede bei seinem Besuch im Jesuiten-Flüchtlingsdienst Centro Astalli. Papst Franziskus hat dabei die Ordensgemeinschaften heftig kritisiert – es sei unverantwortlich, dass so viele Klöster leer stehen oder für Businesszwecke benutzt werden, während Flüchtlinge auf der Straße stehen. Drei Jahre nach seinem Appell ist wenig passiert. Von den insgesamt 330 Pfarren der Diözese Rom, die ein Vorbild für alle sein müsste, haben nur 80 Pfarren Flüchtlinge aufgenommen.
Stichwort Diplomatie und Vatikan?
Auf der weltpolitischen Bühne spielt der Vatikan wieder eine größere Rolle. Sein Erfolg war sicher die Vermittlung der Annäherung zwischen Kuba und USA. Die Mächtigen suchen das Gespräch mit Franziskus: von Obama, Merkel bis Putin.
Marco Politi, Vatikan-Experte und Autor des Buches "Franziskus unter Wölfen" (Herder Verlag), zieht Bilanz: "Franziskus hat einen Umbruch in der Kirche verursacht. Er ist nicht mehr Herrscher einer absoluten Monarchie, sondern fordert Teilnahme und einen unbürokratischen Klerus. Er versucht, Transparenz in die Vatikan-Bank zu bringen. Er hat die Synode in ein lebendiges Diskussionsgremium verwandelt und die Kirchenspitze dazu gebracht, sich neu mit den Problemen der Familie und der Sexualität zu befassen – wobei sich enormer Widerstand gezeigt hat."
"Sehr allein"
Politi weiter: "Franziskus ist der einzige Leader auf internationaler Ebene, der auf die wachsende Kluft zwischen Superreichen und Armen hinweist und das ,neue Sklaventum‘ anprangert. Doch jeder Vorstoß prallt im Kirchen-Apparat auf Widerstand. Franziskus ist sehr allein. Er erntet viel Applaus im Kirchenvolk, doch es fehlt eine Reformbewegung in den Diözesen. Vieles zeigt in die Richtung, dass Franziskus in diesem Jahrzehnt sein Pontifikat beenden könnte und das stärkt natürlich die konservative Fraktion, die schon auf den Nachfolger wartet. "
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