Papst: "Wahre Macht ist Dienst an anderen"
Papa Bergoglio ist unser ganzer Stolz“, jubelt eine argentinische Pilgergruppe in Rom. Besonders unter Latinos schlagen die Emotionen hoch, viele sind den Tränen nahe. Hellblau-weiße Fahnen von Franziskus’ Heimatland Argentinien werden hochgehalten. Wohin das Auge blickt, sind Transparente zu sehen: „Wir begleiten dich auf deinem Weg Francesco!“ und „Ti vogliamo bene“ (Wir haben dich gern).
Nach langem Schlechtwetter strahlte am Dienstag rechtzeitig zur Amtseinführung von Papst Franziskus die Sonne. Seit den frühen Morgenstunden ist der Ansturm auf den Petersplatz und die Via della Conciliazione riesig. Zur Messe kommen 350.000 Pilger aus aller Welt. 132 Delegationen, 31 Regierungs- und Staatschefs sowie gekrönte Häupter wohnen der Inthronisierungs-Messe von Jorge Mario Bergoglio bei. Auch zahlreiche jüdische, muslimische und buddhistische Delegationen sind anwesend.
Umarmungen
Vor Beginn der Messe dreht der neue Pontifex im Jeep eine ausgiebige Runde auf dem Petersplatz, um unter tosendem Applaus die Besucher zu begrüßen. Ein paar Mal hält er an, um Kinder zu umarmen und zu küssen. Eine Geste des neuen Papstes berührt besonders: Als er einen gelähmten Mann hinter der Absperrung in der Menschenmenge erblickt, eilt er zu ihm und umarmt ihn. „Er pflegt einen komplett anderen Stil als sein Vorgänger und verhält sich wie ein Pfarrer, der es liebt, zwischen seinen Gemeindemitgliedern zu stehen“, schätzt ein römischer Pfarrer die Einfachheit des 76-jährigen Argentiniers. Touristen aus Patagonien sind extra wegen „ihrem“ neuen Papst „vom Ende der Welt“ angereist. Eine junge Römerin ist begeistert von der Herzlichkeit des ersten Lateinamerikaners auf dem Stuhl Petri in der Kirchengeschichte: „Er ist wirklich ein Papst der Umarmungen, dem es gelingt, alle, vor allem auch die jungen Leute, zu erreichen.“
Franziskus hat im Rahmen der feierlichen Zeremonie das aus feiner Schafwolle gewobene Pallium seines Vorgängers Benedikt XVI. – Umhang mit fünf Kreuzen, die für die Wundmale Jesu stehen – erhalten. Auch der berühmte Fischerring wurde ihm angesteckt. Das Schmuckstück aus vergoldetem Silber zeigt ein Bild des heiligen Petrus mit den Schlüsseln. Damit hat das Pontifikat des 266. Papstes der katholischen Kirche offiziell begonnen.
Und er setzt gleich ein Zeichen für die Einheit der Christen: Beim Austausch der Friedensgeste umarmt er den Ökumenischen Patriarchen. Bartholomaios I. ist der Erste, der seit der großen abendländischen Kirchenspaltung im Jahr 1054 an einer Amtseinführung eines Papstes teilnimmt.
Die von Franziskus zelebrierte Messe passt zu seinem einfachen Stil und folgt der normalen Liturgie des Festes des heiligen Josef. Er erinnert an seinen Vorgänger Josef Ratzinger, den er am Samstag besuchen wird. Und er macht vor allem klar, wie er die Rolle des Papstes sieht: „Die wahre Macht liegt im Dienen. Der Papst muss allen dienen, besonders den ganz Armen, Schwachen und Geringen“, sagt er und hat dabei weder die Mitra auf, noch hält er den Papststab in der Hand. Man dürfe „keine Angst vor Güte und Zärtlichkeit“ vor allem gegenüber den Schwächsten haben, predigt der neue Pontifex. Der „Schutz“ und das Kümmern um die anderen, um die Umwelt und Schöpfung sind Schlüsselworte seiner Predigt: „Seid Hüter, Beschützer und Bewahrer der Gaben Gottes.“ Explizit spricht Franziskus alle Verantwortlichen aus Wirtschaft und Politik an: „Seien wir Hüter und Beschützer der Schöpfung, der Umwelt.“ Dazu gehöre, auf sich selbst zu achten und keine Angst vor Sanftheit zu haben. „Ich hoffe, dass sich die anwesenden Regierungschefs von der Predigt, mit der Aufforderung sich für die Armen einzusetzen, angesprochen fühlten, denn auch in Europa gibt es genügend Arme“, wünscht sich Signore Angelo, der aufgrund der Krise in Frühpension musste.
Auf der Piazza herrscht ausgelassene Stimmung. Die Kirchenglocken läuten zu Ehren des volksnahen Pontifex in ganz Rom. „Ich hatte das Glück, ihn schon einmal in Buenos Aires zu treffen und seine Art war immer so bescheiden und einfach, immer inmitten der armen Leute“, strahlt ein argentinischer Seminarist.
Nach Lateinamerika führt auch die erste Auslandsreise des Papstes – zum Weltjugendtag in Brasilien im Juli.
Eindrücke der Amtseinführung
Der eine ist bekennender Agnostiker. Der andere organisierte als Jungsozialist beim Besuch des Vorvorgängers in Wien ein Anti-Papst-Fest. Nur der dritte hat bereits Routine bei Besuchen im Vatikan. Zur Inauguration von Jorge Mario Bergoglio als Franziskus reisen, Heinz Fischer, Werner Faymann und Michael Spindelegger aber einträchtig an.
Der seltene Auftritt als Trio hat hier seit Joseph Ratzingers Kür Tradition. Neu ist, dass jeder seinen eigenen (Hof-)Fotografen mitbringt – auch wenn sich die Bilder gleichen müssen. Den Schnappschuss mit dem neuen Papst gestattet das Protokoll nur Staatsoberhäuptern. Faymann und Spindelegger bleibt so ein fotogener Auftritt mit dem Papapile a.D., Christoph Schönborn. Der Wiener Erzbischof ist und bleibt sichtlich eine große Nummer im Vatikan. Als das Österreicher-Trio im Schatten des Petersdoms die Honneurs beim Kardinal macht, kann sich dieser beim Abgang derer, die ihm noch etwas zurufen oder die Hand schütteln wollen, nicht erwehren.
In der Residenz des österreichischen Botschafters im Vatikan treffen nach der Zeremonie römische Kleriker und die heimische Staatsspitze noch einmal aufeinander. Unter den Geistlichen machen die ersten Papst-Anekdoten die Runde. Bei der Vorbereitung der Inauguration seien die Zeremonienmeister mit den bislang üblichen spitzenbesetzten Prunkornaten für Mitzelebranten des Papstes abgeblitzt: „Lasst diese römischen Faschingskostüme bleiben“, so der gut verbürgte Vatikan-Tratsch. Verbindlich im Ton, aber sehr bestimmt in der Sache, so werden die ersten Tage Franziskus’ beschrieben.
Der drängende Umbau der Kurie mit seinen Vertrauensleuten bleibt noch länger offen. Die überfälligen Bischofsernennungen in Österreich werden aber noch vor Sommer erwartet: Die Vorschläge für die neuen Oberhirten in Graz und Feldkirch sowie der Dreier-Vorschlag für Salzburg (das lokale Domkapitel darf die Endauswahl treffen) liegen entscheidungsreif auf dem Tisch.
Der vatikanische Apparat hat aber vorerst noch damit zu tun, sich auf den Chef, mit dem keiner rechnete, umzustellen. Fünf fertige Reden für den neuen Papst müssen die vatikanische Text-Manufaktur noch einmal durchlaufen. Die Kurie war bis zuletzt auf den durchgefallenen Gegenkandidaten Angelo Scola eingestellt: Sie hatten für die Ansprachen vorauseilend nur reichlichst Anleihen bei der Geisteswelt des Mailander Kardinals genommen.
Schönborn war auf die neue Tonlage in Rom offenbar schon länger eingestellt. Er verabschiedet sich von den Österreichern, die Dienstagnachmittag nach 20 Stunden in Rom wieder zum Flughafen aufbrechen, mit den launigen Worten: „Wir sollen auf die Umwelt mehr achtgeben, sagt der Heilige Vater zu Recht. Ich nehme den Nachtzug nach Wien.“
„Die Berufung zum Hüten geht nicht nur uns Christen an; sie hat eine Dimension, die alle betrifft. (...) Sie besteht darin, Achtung zu haben vor jedem Geschöpf Gottes und vor der Umwelt, in der wir leben. Die Menschen zu hüten, sich um alle zu kümmern, um jeden Einzelnen, mit Liebe, besonders um die Kinder, die alten Menschen, um die, welche schwächer sind und oft in unserem Herzen an den Rand gedrängt werden. Sie besteht darin, in der Familie aufeinander zu achten: Die Eheleute behüten sich gegenseitig, als Eltern kümmern sie sich um die Kinder, und mit der Zeit werden die Kinder zu Hütern ihrer Eltern. Sie besteht darin, die Freundschaften in Aufrichtigkeit zu leben; sie sind ein Einander-Behüten in Vertrautheit, gegenseitiger Achtung und im Guten. (...)
Wenn der Mensch dieser Verantwortung nicht nachkommt, wenn wir uns nicht um die Schöpfung und um die Mitmenschen kümmern, dann gewinnt die Zerstörung Raum, und das Herz verdorrt. In jeder Epoche der Geschichte gibt es leider solche „Herodes“, die Pläne des Todes schmieden, das Gesicht des Menschen zerstören und entstellen. Alle Verantwortungsträger auf wirtschaftlichem, politischem und sozialem Gebiet, alle Männer und Frauen guten Willens möchte ich herzlich bitten: Lasst uns „Hüter“ der Schöpfung, des in die Natur hineingelegten Planes Gottes sein, Hüter des anderen, der Umwelt; (...)
Das sich Kümmern, das Hüten verlangt Güte, es verlangt, mit Zärtlichkeit gelebt zu werden. (...) Sie deutet auf eine Seelenstärke hin und auf die Fähigkeit zu Aufmerksamkeit, zu Mitleid, zu wahrer Öffnung für den anderen, zu Liebe. (...) Nur wer mit Liebe dient, weiß zu behüten!“
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