Proteste gegen Mega-Kanal

Gegner sehen in dem Mammutprojekt einen „Ausverkauf an China“.

Kaum zwei Monate ist es her, dass in Nicaragua ein jahrhundertealter Traum greifbar wurde: der große Kanal, der Atlantik und Pazifik miteinander verbinden soll. Präsident Daniel Ortega gab im Juni einem Konsortium aus Hongkong den Zuschlag, das gigantische Infrastruktur-Projekt zu realisieren (siehe Galerie unten).

Seither lief schief, was schieflaufen konnte. Indigene, Umweltschützer und Opposition traten geschlossen gegen das Prestige-Vorhaben auf, Zweifel an der Machbarkeit wurden immer lauter. Die Investorengruppe HKND rund um den Chinesen Wang Jing, die den Kanal bauen soll, überraschte mit intransparenten Angaben selbst die Regierung. Der Widerstand gegen den Mega-Kanal gipfelte vorläufig am Dienstag in einer Verfassungsklage der Opposition: Die Debatte um das Projekt sei zu kurz gewesen. Die Souveränität des Landes stehe auf dem Spiel.

Von Armut zu Reichtum

Dabei ließ sich das Jahrhundert-Projekt gut an: Nicaragua, das zweitärmste Land Amerikas, will haben, was Panama durch seinen Kanal bekam: Gebühren in der Höhe von Millionen. Panama kassiert im Jahr rund eine Milliarde Dollar durch die Passage von Frachtschiffen. Die Wasserstraße von Nicaragua aber sollte größer, breiter, tiefer werden und den Konkurrenten im Süden ausstechen. Zudem sollte HKND eine Eisenbahnlinie errichten, Flughäfen und eine Pipeline. Veranschlagt wurde der Bau mit 40 Milliarden Dollar. Planmäßig findet die Grundsteinlegung nächstes Jahr statt, bis 2019 soll alles fertig sein.

So will Präsident Ortega Nicaragua den lang ersehnten Wirtschaftsboom bescheren und Zehntausende Jobs schaffen. In einem Land, in dem die Hälfte der knapp sechs Millionen Einwohner in Armut lebt, ein geradezu utopisches Vorhaben.

Doch die Kritik an der Zukunftsvision will nicht abreißen, zu ungeschickt gingen Regierung und Investoren vor. Ortega ließ die nötigen Gesetze zum Bau, dessen Finanzierung noch unklar ist, für die Chinesen im Eiltempo durchpeitschen, dabei wurde offenbar vergessen, die ansässige Bevölkerung miteinzubeziehen. Indigene, die umgesiedelt werden könnten, brachten bereits Beschwerde ein.

Zudem hat sich die HKND umfassende Vollmachten erkämpft. Sie ist etwa für Jahrzehnte am Betrieb der Wasserstraße beteiligt. Medienberichten zufolge darf sie Enteignungen verlangen und Flüsse umleiten lassen. Die Opposition reagierte empört auf diesen „Ausverkauf des Vaterlandes“ an China, das in Lateinamerika allzu oft Angst vor hegemonialem Ehrgeiz schürt.

Umweltschäden

Auch ein Streit um die Route des Kanals wurde vom Konsortium noch einmal angeheizt. Noch bevor eine Machbarkeitsstudie fertig ist, legte sich die HKND auf einen der drei möglichen Verläufe der Wasserstraße fest: von Brito am Pazifik bis zur Isla del Venado am Atlantik, wie HKND-Chef Wang einer britischen Zeitung preisgab. Allein: Die Regierung in Managua wusste davon gar nichts. Ohne Studie gebe es keine fixe Route, ließ man eilends ausrichten.

Die Frage nach den Umwelt-Risiken bleibt unbeantwortet. Der Kanal wird in jedem Fall durch den Nicaraguasee führen – das große Trinkwasser-Reservoir des Landes. „Man kann den See entweder für Trinkwasser verwenden oder für die Schifffahrt“, sagt Victor Campos vom Humboldt Center in Managua. „Beides geht nicht.“

Ob der Kanal nun Heilsbringer oder Teufelszeug ist, wird Nicaragua erst in Jahren beantworten können. Der Start für den Kanal der Superlative war jedenfalls holprig.

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