"Muslime gehören zu Europa"
Der aus Marokko stammende sozialdemokratische Bürgermeister von Rotterdam, Ahmed Aboutaleb, 53, ist für seinen konservativen Londoner Amtskollegen Boris Johnson ein Held. In seiner Kolumne im Telegraph nannte er ihn sogar "meinen Helden": "Das ist die Stimme der Vernunft, die Stimme Voltaires."
Aboutaleb war nach den Anschlägen von Paris sichtlich mitgenommen in die niederländische Nachrichtensendung Nieuwsuur zugeschaltet. Die Geschehnisse hätten ihn tief in der Seele getroffen, er säße nicht nur als Bürgermeister hier, sondern als "wütender Muslim", sagte er. Und dann wandte er sich an die Extremisten: "Wenn ihr die Freiheit nicht wollt, packt um Himmels willen eure Koffer und geht. Vielleicht gibt es einen Ort, an dem ihr ihr selbst sein könnt. Seid dann auch ehrlich zu euch selbst und bringt keine unschuldigen Journalisten um. Das ist so rückständig, das ist unbegreiflich. Verschwindet, wenn ihr in den Niederlanden mit der Art, wie wir unsere Gesellschaft leben wollen, euren Platz nicht finden könnt." Er beendete seinen Aufruf mit den Worten: "Wenn es euch hier nicht gefällt, wenn euch Karikaturisten nicht passen, die eine Zeitung machen, dann lasst es mich so sagen: Haut doch ab."
Der direkt gewählte Bürgermeister Aboutaleb kämpft im multikulturellen Rotterdam mit einer wachsenden Zahl einwanderungskritischer Menschen. Bei den Kommunalwahlen 2014 wurde die islamkritische Leefbaar Rotterdam die stimmenstärkste Partei. Sie bildet mit den Konservativen und Liberalen die regierende Koalition am wichtigsten Warenumschlagplatz Europas.
Den "Voltaire" aus Rotterdam ergänzt der niederländische Schriftsteller Abdelkader Benali. Er berichtet von seinen Nöten, die er als muslimischer Jugendlicher in einer säkularen Welt hatte. Seine Eltern besaßen nur zwei Bücher – den Koran und das Telefonbuch. Gelesen wurde nie. – Und dann stieg irgendwann großer Zorn in ihm auf, als in einer Geschichtsstunde die Fatwa gegen Salman Rushdie zur Sprache kam. "Begriff der Lehrer denn nicht, dass es ein moralisches Verbrechen war, den Propheten zu verspotten?" Erst Rushdies Roman habe ihm die Augen geöffnet. "Es geht um fehlgeleiteten Zorn". Aber Muslime gehören zu Europa.
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