Suche nach 43 Studenten endet auf Müllhalde
Mexiko steht unter Schock. Jeder im Land weiß um die weit verbreitete Allianz zwischen staatlichen Behörden und der organisierten Kriminalität; aber noch nie war sie so offensichtlich wie im Fall der 43 Studenten, die vor sechs Wochen in Iguala verschleppt worden waren.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Geständnisse von drei festgenommenen Bandenmitgliedern der "Guerros Unidos" veröffentlicht. Demnach sind alle tot.
Die Gangster haben gestanden, die jungen Indios auf einer Müllhalde in einer einsamen Schlucht einen nach dem anderen erschossen zu haben. "Einige waren schon tot, als sie hierher gebracht wurden. Die noch lebten, haben wir erschossen. Dann haben wir die Leichen an Händen und Füßen gepackt und in eine Schlucht geworfen", sagte einer der verhafteten Männer. Dort errichteten sie einen Scheiterhaufen, überschütteten die Leichen mit Benzin und zündeten sie an. Einen Tag nach dem Massenmord seien die Täter zurückgekommen und hätten die sterblichen Überreste – Asche und Zähne – in Plastiksackerl gefüllt und in einen Fluss geschmissen.
Uni Innsbruck hilft
"Sie haben versucht, jede Spur zu zerstören", sagte Generalstaatsanwalt Murillo. Aber die Ermittler hätten doch Zähne gefunden. Diese seien allerdings bei Berührung praktisch zu Staub zerfallen. Es werde dauern, bis die Toten identifiziert seien. Dabei soll die Universität Innsbruck helfen. Das Institut für Gerichtliche Medizin gilt als eines der besten auf dem Gebiet der DNA-Analyse. Dank dieser Expertise konnten in Innsbruck Opfer des chilenischen Diktators Pinochet ebenso identifiziert werden wie der 1970 verunglückte Bruder Reinhold Messners.
Die Familien in Mexiko hoffen derweil noch: "Bis es Beweise gibt, sind unsere Kinder für uns noch am Leben."
Die Ermittler nahmen 74 Menschen fest, darunter Dutzende Polizisten und die mutmaßlichen Drahtzieher: der Bürgermeister und seine Frau, die aus einer Drogenhändler-Familie stammt. Offenbar waren die Studenten, die auf Spendentour waren, mit dem Bürgermeister in Streit geraten. Er schaltete die Polizisten ein, die stoppten die Studenten-Busse, erschossen sechs Menschen, nahmen 43 Studenten fest und übergaben sie den "Guerros Unidos". Die Gangster sollen die Burschen verwechselt, sie für Angehörige einer verfeindeten Gang gehalten haben – ihr Todesurteil.
Mehr als einen Monat nach dem Verschwinden Dutzender Studenten im Südwesten Mexikos ist der von der Polizei gesuchte Bürgermeister der Stadt Iguala festgenommen worden. Jose Luis Abarca soll den Einsatz gegen die jungen Leute angeordnet haben. Er und seine Frau wurden in Mexiko-Stadt gefasst, wie die Bundespolizei am Dienstag mitteilte. Sie würden nun in der Staatsanwaltschaft vernommen.
Die 43 Studenten waren am 26. September in Iguala von Polizisten verschleppt und später vermutlich Mitgliedern der kriminellen Organisation "Guerreros Unidos" übergeben worden. Nach Einschätzung der Ermittler arbeiten in der Region lokale Politiker, korrupte Polizisten und Verbrecher Hand in Hand.
Haftbefehl wegen Mordes
Das Fernsehen berichtete, der Bürgermeister und seine Frau hätten in Mexiko-Stadt eine Wohnung gemietet und sich dort seit Wochen versteckt. Gegen Abarca liegt Haftbefehl wegen Mordes vor. Bei dem Einsatz gegen die Studenten hatten örtliche Sicherheitskräfte das Feuer eröffnet und sechs Menschen getötet. Seine Frau Maria de los Angeles Pineda stammt aus einer Drogenhändlerfamilie und soll ein führendes Mitglied der "Guerreros Unidos" sein.
Von den verschleppten Studenten fehlt noch immer jede Spur. Am Montag starteten Vertreter sozialer Organisationen einen Protestmarsch auf die Hauptstadt, um an das Schicksal der jungen Leute zu erinnern. 43 Aktivisten - einer für jeden Vermissten - wandern von Iguala knapp 200 Kilometer nach Mexiko-Stadt. "Unsere Forderung ist: Wir wollen sie lebend zurück", sagte einer der Organisatoren, Jose Alcaraz Garcia. Am kommenden Sonntag wollen die Demonstranten den zentralen Platz Zocalo in der Hauptstadt erreichen.
Pakt gegen Korruption
Präsident Enrique Pena Nieto kündigte einen Pakt gegen Korruption und Straflosigkeit an. In den kommenden Tagen werde er Vertreter verschiedener Institutionen, Parteien und sozialer Organisationen zusammenrufen, sagte der Staatschef am Montag. "Es ist unabdingbar, Maßnahmen zu ergreifen, damit so etwas nicht mehr passiert."
Im Norden des Landes töteten Unbekannte unterdessen einen regionalen Sicherheitschef. General Ricardo Cesar Nino Villarreal wurde nach Behördenangaben auf einer Landstraße im Bundesstaat Nuevo Leon erschossen. Der ranghohe Militär stand im Norden des benachbarten Bundesstaates Tamaulipas der Polizei vor.
Zum Zeitpunkt des Anschlags war er in einem nicht gepanzerten Fahrzeug und ohne Leibwächter unterwegs. Erst im Oktober entging der General einem Attentat. Zuletzt waren in der Region Plakate aufgetaucht, auf denen die Sicherheitsstrategie des Generals infrage gestellt wurde. In Tamaulipas kämpfen das Verbrechersyndikat "Los Zetas" und das Golf-Kartell um die Vormachtstellung. Häufig greifen sie auch die Sicherheitskräfte an.
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