Schmelzwasser unter Grönland-Eis

Jeden Sommer sehen Forscher, wie sich strahlend blaue Ströme auf dem Eis bilden. Wasser, das in Spalten verschwindet, höhlt den Schild aus.
US-Forscher schlagen Alarm. Die Eismassen sind stärker aufgeweicht als bisher gedacht.

Unter dem Grönländischen Eisschild liegen große Seen mit Schmelzwasser, die sich binnen kurzer Zeit entleeren und wieder auffüllen können. Das berichten zwei Teams von US-Wissenschaftlern in den Fachzeitschriften Nature und The Cryosphere. Die in den Schmelzwasser-Massen gespeicherte Wärme drohe Teile des Eisschildes von innen auszuhöhlen. Außerdem könne das Wasser auf dem Felsbett unter den Gletschern den Eisfluss beschleunigen. Die Wissenschaftler werten ihre Beobachtung als weiteren Hinweis auf die schwerwiegenden Folgen des Klimawandels.

Mit einer Ausdehnung von 1,8 Millionen Quadratkilometern ist der Grönländische Eisschild die weltweit zweitgrößte permanent vereiste Fläche nach dem Antarktischen Eisschild. Derzeit beschäftigen sich viele Wissenschaftler mit den Bewegungen des Schmelzwassers unter dem Schild.

Die in The Cryosphere beschriebene Entdeckung machte ein Team um Ian Howat von der Ohio State University in Columbus, das eigentlich mit Satelliten- und Luftaufnahmen an einer Karte des Eisschildes arbeitete. Im Südwesten der Insel fanden die Forscher 50 Kilometer von der Küste entfernt einen 70 Meter tiefen Krater von rund zwei Kilometern Durchmesser. Die etwa 25 Milliarden Liter Wasser, die sich vermutlich im Lauf von mehr als 40 Jahren ansammelten, seien im Herbst 2011 wahrscheinlich binnen weniger Wochen verschwunden, schreiben sie.

"Die Tatsache, dass der See für mehrere Dekaden stabil war und dann nach einigen sehr heißen Sommern innerhalb von wenigen Wochen oder schneller ablief, könnte ein Signal dafür sein, dass im Eisschild eine fundamentale Veränderung stattfindet", wird der Glaziologe Howat zitiert. Der schnelle Abfluss des Wassers sei nach geologischen Maßstäben bemerkenswert – und katastrophal, so Howat. Möglicherweise gebe es Tausende solcher Seen entlang der Küste.

Die in Nature vorgestellte Studie um Michael Willis von der Cornell University in Ithaca beschreibt ein 75 Meter tiefes und 8,4 Quadratkilometer großes Loch im Eis. "Die Entdeckung, dass Wasser in Seen unterhalb des Eises gespeichert werden kann, zeigt, wie die Wasserzufuhr auf der Oberfläche mit der Wasserzufuhr am Grund verbunden ist." Jedes Mal, wenn sich der See erneut fülle, gelange mehr latente Wärme in das Innere des Eisschildes. Die Forscher vermuten, dass unterhalb des Schildes Abflusskanäle liegen. Auch die Zahl der oberirdischen Seen sei in wenigen Jahren stark gestiegen.

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